Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Munzinger Pascha

Munzinger Pascha

Titel: Munzinger Pascha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Capus
Vom Netzwerk:
anders sein möchte als diese Millionen   – aber dieser Nebel in unserem grauen Heimatland drückt mich nieder. Du hingegen bist im Land des Sonnenscheins! Du wirst ungesehene Küsten und Länder sehen, das Rote Meer mit seinen ersoffenen Ägypterbäuchen, den zornigen Sinai, Arabien, |59| Arabien, das größte Prophetennest   – Du, ein einundzwanzigjähriger Alexander, eroberst die Welt, Du Kreuzfahrer mit der glutvollen Wißbegierde im Herzen, Deinem unerforschlichen, mächtigen und sehnlichen Drange folgend, unser Leben mit seinen nichtswürdigen Tagtäglichkeiten abzuschütteln. Nach Arabien, nach Arabien ins Land der . . . Ich weiß nicht mehr, wie’s im Studentenlied heißt; ich besinne mich nur, daß es schließt: »Und wo die Karawane klagt.«
    Ob ich mit Dir ziehen möchte? Oh, frage mich das nicht, es drückt mir die Kehle zusammen; mit einem Riesensprunge wollte ich alles überwinden, was mich von Dir trennt. Ich wollte es   – und doch sollte es nicht sein. Du hast Dir Dein Glück mit eiserner Beharrlichkeit und Geschicklichkeit erkämpft, während ich Deinen energischen Reiseprojekten widerstrebte. Ich wollte der Verständige sein, der nirgends anstößt und beleidigt, und habe Dich alleine übers Meer ziehen lassen. Du siehst, wie mir ist: Wie glücklich wäre ich, Dein Los zu teilen und mein gewiß paisibleres Leben an den Nagel zu hängen.
    Und Du, denke nicht an Gefahren, denke nicht an die Furcht; es klang mir eine Stelle in Deinem letzten Brief so trüb und traurig, daß ich sie nicht wiederholen möchte. Denn es sagt mir ja mein Herz, daß wir dereinst zusammenleben werden, »fern vom Weltgeräusche«, wie Du es Dir wünschst. Dann werden wir in einem schattigen Gartenhäuschen an schönen Abenden bei einem Becher glühroten Weines und feinem türkischen |60| Tabak zusammensitzen und uns unterhalten über Deine Weltreise, Deine Erlebnisse und Deine neuen Ideen . . . Was alles kommt mir da in den Sinn! Aber schau, das sage ich Dir   – es wird einmal so sein: Wir kommen und müssen wieder zusammenkommen, und sei es in Deinem Arabien selbst. Jedenfalls, wenn Du als Handlungsherr einmal einen faulen Commis nötig hast, so schreibe mir nur; wenn die Jurisprudenz keinen goldenen Berg bringt, und das wird sie schwerlich, so fliegt der Vogel doch noch einmal aus.
    Schick uns ja fleißig Nachrichten über Dich und trage Sorge zu Dir, sei vorsichtiger, als Du je warst, denn wir wollen Dich wieder einmal gesund und frisch in unserem Familienkreis aufnehmen.
    Dein Bruder Walther
     
    Werner soll im Auftrag der französischen Handelsgesellschaft Dupont & Cie. alle großen Marktplätze am Roten Meer besuchen und nach günstigen Geschäften Ausschau halten. Bei Sonnenuntergang geht er an Bord, nach Mitternacht kommt endlich die Flut. Die sechs arabischen Matrosen setzen die Segel und lichten den Anker, und dann treibt die Nußschale aufs offene Meer hinaus. Es weht ein günstiger Nordwind, das Schiff kommt unter dem Sternenhimmel rasch voran. Werner Munzinger schläft nicht in dieser Nacht. Er setzt sich zuvorderst in den Bug, entkorkt eine Flasche Honigwein und beobachtet, wie rechts die Küste Afrikas und links die Berge des Sinai vorbeiziehen. Schon bald ist es still auf dem Boot. Die Matrosen |61| schlafen im ungedeckten Schiffsrumpf, nur durch wenige Zentimeter Holz getrennt vom gurgelnden Wasser. Einzig der Steuermann steht aufrecht auf seinem kleinen Achterdeck, hält das Steuerruder fest eingeklemmt zwischen Brust und Oberarm und singt ein trauriges Lied von Liebe und Tod.
    Werner hört ihm und dem Plätschern des nachtschwarzen Wassers zu. Die kühle Meeresbrise ist eine Wohltat nach dem langen Wüstensommer in Kairo. Aber hat er wirklich die richtige Entscheidung getroffen? Dupont & Cie. bezahlt ihn gut für die Expedition. Sind ja auch auf ihn angewiesen, die Franzosen, die ums Verrecken keine Fremdsprachen lernen. Aber daß es ausgerechnet eine Handelsreise sein muß! Ein Händler, ein Krämer will er ja nun wirklich nicht werden, da hätte er gleich in Tante Ursulas Spezereiladen Seife, Kerzen und Gewürze verkaufen können. Andererseits: das Rote Meer, Arabien, Afrika! Immerhin ist er unterwegs zu den weißen Flecken auf der Landkarte, gänzlich fremde, unbekannte Orte wird er sehen. Obwohl: Was heißt schon fremd, unbekannt! Überall leben Menschen, und allen ist ihre eigene Heimat ganz selbstverständlich und vertraut. Man kann gehen, wohin man will, jeder Ort ist überzogen mit

Weitere Kostenlose Bücher