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Munzinger Pascha

Munzinger Pascha

Titel: Munzinger Pascha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Capus
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gestern in tieferliegende Gegenden abgeflossen. Der Pfad ist gesäumt von toten Kamelen und Maultieren |89| in allen Stadien der Verwesung, welche hier ein erstes und einziges Mal in ihrem Sklavenleben die Arbeit verweigerten.
    ›Herrgott, was mache ich hier bloß?‹ denkt Werner, wischt sich den Schweiß aus der Stirn und erinnert sich wehmütig der Schiffahrt auf dem Roten Meer. Wie idyllisch war doch der Monsunsturm damals, als er am Fuß des Mittelmastes lag, unpäßlich zwar, aber immerhin erfrischt von kühlenden Windstößen. Jetzt ist da nichts als diese staubige Backofenhitze, die einem beim Einatmen die Nasenflügel versengt. Der Rücken des Maultiers ist knochig und hart, und Werners Hintern schmerzt höllisch.
    Bald führt der Trampelpfad in endlosem Zickzack die Steilhänge hoch, dann wieder hinunter in bodenlose Schluchten, um sich am gegenüberliegenden Hang gleich wieder in die Höhe zu winden. Werner beißt die Zähne zusammen und treibt sein Maultier an, damit er Mohammed nicht aus den Augen verliert. Wie macht dieser dicke Araber das nur? Sitzt tagelang fröhlich und entspannt auf seinem Esel, singt hin und wieder ein Liedchen und findet auch noch den Atem, um den Fremdenführer zu spielen: »Schau dort, eine Elefantenherde! Da, Gazellen! Dort, ein Strauß, und hier, zwei Geier!«
    Aber je weiter der Weg westwärts und in die Höhe führt, desto dünner und kühler wird die Luft. Werner Munzinger wird heimatlich ums Herz. Diese Frische, diese Berge, diese Wiesen, ist das nicht ganz wie zu Hause? Am Mittag des fünften Tages hält Mohammed auf der Krete eines Hügels sein Maultier an und steigt ab.
    |90| »Wir sind da. Dort unten liegt Keren. Siehst du das ausgetrocknete Flußbett, das quer durch den Ort führt? Dort ist der Markt.«
    Werner sieht hinunter in den etwa drei Kilometer breiten Talkessel, der wie ein Mondkrater ringsum eingefaßt ist von scharf zackigen Bergspitzen. Nur im Westen klafft eine Lücke. Dort bricht das abessinische Hochland abrupt ab, und die Karawanenstraße schlängelt sich hinunter in die schrecklichen Wüsten des Sudans. Mitten in der Ebene stehen eng beieinander etwa dreihundert runde Strohhütten. Das ist Keren. Wie auf einer Landkarte sichtbar ist von hier oben auch der zweite Pfad, der über einen Paß südwärts ins Landesinnere führt, zu den uralten abessinischen Königreichen von Axum, Gondar und Schoa.
    »Na komm, Mohammed, gehen wir!«
    »Nein, Werner. Wenn du erlaubst, werde ich mit den Maultieren allein hinreiten, und du wartest hier auf mich.«
    »Wieso?«
    »Damit Monsieur Dupont mit uns zufrieden ist. Schau, du bist ein Weißer. Wenn du auf dem Markt auftauchst, verdreifachen sich sofort die Preise.«
    »Na und? Du sagst mir, was die Ware wirklich wert ist, dann handeln wir die Preise herunter.«
    »Mit dir geht das nicht. Du bist ein guter Mensch, aber kein Händler. Immer bezahlst du gleich den ersten, viel zu hohen Preis. Laß mich allein nach Keren gehen. In zwei Stunden bin ich wieder da.«
    So zieht Mohammed mit den Maultieren davon. Werner macht mit steifen Beinen ein paar Schritte und bettet den gemarterten Hintern auf die Wiese.
    |91| Plötzlich steigt eine nackte Frau aus dem hohen Gras. Eine Negerin. Es ist die erste nackte Frau in Werner Munzingers jungem Leben. Mit wippenden Brüsten kommt sie auf ihn zu. Gänzlich entblößt ist sie nicht; unter dem Nabel trägt sie einen Gürtel mit ledernen Fransen, dicke Silberreifen um Hand- und Fußgelenke, einen goldenen Ring im Nasenflügel und silberne Kettchen im geflochtenen Haar. Haut und Haare hat die Frau mit Butter eingerieben, so daß sie überall dunkel glänzt wie eine Pantherin.
    Werner schluckt.
    Die Frau ist jetzt nahe bei ihm, geht langsam vorbei. Werners Hände werden feucht. Darf ich sie ansprechen? Muß ich grüßen? Soll ich schweigen?
    »Sei gegrüßt, Jungfer!«
    Die Frau bleibt stehen. Sie ist groß. Unter halbgeschlossenen Lidern schaut sie zu Werner hinunter, der hilflos im Gras sitzt.
    »Ich bin keine Jungfer, fremder weißer Mann. Ich bin eine arme, alte Witwe.«
    »Oh.«
    »Was sitzt du hier im Gras und starrst mich an?«
    »Ich warte auf meinen Freund. Ich saß schon hier, bevor du gekommen bist.«
    »Und weshalb starrst du mich an?«
    »Ich finde dich schön. Bist du wirklich eine Witwe?«
    »Mit solchen Dingen scherze ich nicht. Mein Mann ist tot, seine Knochen sind weiß wie deine Haut. Dort hinten bei der Quelle haben ihn die Nureddins getötet, als er baden wollte.

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