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Munzinger Pascha

Munzinger Pascha

Titel: Munzinger Pascha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Capus
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Und so setzt sich der mutige Werner auf diesen schwindelerregenden Sattel wie auf ein Pferd und hilft sich hockend hinüber. Hin und wieder löst sich ein Steinchen aus der Wand; Werner schaut ihm nicht nach, will gar nicht wissen, wohin es fällt. Er schwitzt und zittert, sein Herz rast, und keinen Moment hat er Zeit zu fragen, was zum Teufel er in diesem Afrika eigentlich verloren hat. Endlich wird das Felsband breiter und mündet in eine karge Wiese. Werner krabbelt weiter, bis er sich in Sicherheit weiß. Dann läßt er sich auf die Seite fallen, das harte Gras sticht ihm ins Gesicht, seine Arme und Beine zittern wie die Läufe eines schlafenden Hundes, und verwundert hört er diesem Wimmern zu, das tief aus seiner Brust aufsteigt.
    »Du bist ein mutiger Mann, Werner Munzinger!«
    Eine gewaltige Hand packt ihn am Arm, ein starker Arm zieht ihn hoch und drückt ihn an eine herkulische Brust. Werner läßt seinen Kopf einen Moment auf dieser dunkelwürzigen Haut ruhen, unter der sich gewaltig die Brustmuskulatur abzeichnet. Dann schaut er hinauf in das kantige Adlergesicht eines Hünen.
    »Abt Michael?«
    »Dein Besuch freut mich sehr. Wir wollen diesen Moment mit einem Schluck Honigwein begießen.«
    Abt Michael führt ihn in den Schatten eines wilden Feigenbaums, wo ein Krug Honigwein bereitsteht. Werner lehnt sich gegen den Baumstamm, den vier Männer nicht zu umfassen vermöchten, und schaut sich um. Er sieht zwölf Feigenbäume, ein paar Rebstöcke, eine halbzerfallene Kirche, vier Wohnhäuser, |107| drei ausgetrocknete Wasserzisternen, ein staubiges Gärtchen.
    »Wir leben ziemlich einsam hier oben, wie du siehst« sagt Abt Michael. »Nur alle paar Jahre hat ein Fremder die Verwegenheit, uns zu besuchen. Du kannst übrigens ruhig lachen, wenn du willst.«
    Tatsächlich steigt es blubbernd aus Werners Bauch hoch, unheilvoll und unausweichlich. Er schämt sich und preßt die Zähne zusammen, aber Hals und Wangen blähen sich, und dann lacht er los, viel zu schrill und zu laut. Abt Michael legt ihm freundlich die Hand auf die Schulter. »Lach nur! Das sind die Nerven. Ich habe auch gelacht vor fünfzehn Jahren, als ich hier ankam. Ich war ein junger Mann wie du, genau wie du lehnte ich an diesem Feigenbaum, und der Stamm war nur unwesentlich dünner als heute.«
    Werners Gelächter verstummt.
    »Ich war jung und bin hergekommen, um meinen Mut zu beweisen. Ich war verliebt, mußt du wissen, in ein Mädchen aus unserem Dorf, deren Augen leuchteten wie der Morgenstern und die einen Hals hatte, so schön gebogen wie der Hals des Straußes. ›Wenn ich heirate, dann nur den tapfersten Krieger!‹ sagte mein Mädchen zu mir. ›Beweise mir, daß du Mut hast.‹ So zogen wir los und bestiegen den Berg Zad’amba. Mein Mädchen setzte sich hin am Rand des Abgrunds und sah zu, wie ich rittlings hinüberging. Glücklich angekommen, lehnte ich mich an diesen Feigenbaum, winkte hinüber zu meinem Mädchen und lachte und lachte . . . bis mir klar wurde, daß mich die Angst im Nacken gepackt hatte und ich nie wieder zurückkehren würde.«
    |108| Abt Michael greift zum Krug und trinkt Honigwein. Werner Munzinger sitzt still da und horcht auf die Schluckgeräusche. Der Abt will nicht aufhören zu trinken. So viel Honigwein kann in diesem kleinen Krug gar nicht gewesen sein, wie der schon getrunken hat. Endlich stellt er den Krug wieder ins Gras.
    »Es wurde Abend. Ich schickte mein Mädchen zurück ins Dorf, da die Nacht hier draußen gefährlich ist, und legte mich am Fuß dieses Feigenbaumes schlafen. Kurz nach Sonnenaufgang stand sie wieder dort. Den ganzen Tag bis zum Sonnenuntergang schaute sie mir zu, wie ich am Abgrund herumschlich und dann und wann einen halben Schritt auf die Brücke machte, nur um jedesmal zurückzuschrecken. Wenn ich mir beim ersten Versuch ein Herz gefaßt hätte und weitergelaufen wäre   – vielleicht wäre ich dann glücklich drüben angekommen und hätte zwölf Kinder gezeugt. Mit jedem gescheiterten Versuch aber wuchs meine Angst. Mein Mädchen kam auch am nächsten und am übernächsten und an allen folgenden Tagen, denn sie war eine treue Seele und liebte mich zärtlich. Am hundertsiebenundzwanzigsten Tag aber setzte sie sich nicht hin wie an allen Tagen zuvor, sondern blieb stehen. ›Michael, mein Liebster!‹ rief sie über den Abgrund. ›Sag mir bitte heute, ob du jemals wieder zurückkommst!‹   – ›Wie kann ich das wissen?‹ rief ich zurück.   – ›Du weißt es, denn du

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