Munzinger Pascha
Maultier und geh – was wolltest du heute unternehmen?«
»Messungen für die Landkarte machen.«
»Geh deine Messungen machen. Und wenn du zurückkommst, stelle ich dir deine Diener vor.«
Werner packt Schreibpapier, Meßlatte, Winkelmeßgerät, Fernrohrkompaß und Barometer auf das Maultier und macht sich davon. Und während er kreuz und quer durchs Bogos-Land reitet und mißt und rechnet und zeichnet, fragt er sich: ›Silbertaler, Schutzmauer, Steinhaus, Mägde, Diener – habe ich das alles gewollt?‹
Werner ist nicht mehr allein. Im Schutz seiner Mauern leben sechs Menschen; wenn man den dicken Mohammed dazuzählt, der in Massaua auf das Lagerhaus achtgibt, sind es sogar sieben. Die wollen alle ernährt und gekleidet sein. Werner Munzinger verkauft Kolonialwaren nach Europa, und die sich häufenden Silbertaler investiert er in fruchtbare Äcker und fette Weiden, in Saatgut und Vieh. Schon bald gehört er zu den |117| wohlhabendsten und einflußreichsten Männern des Landes. Und wenn das Geld einmal nicht reicht für eine Anschaffung, schreibt er einen Artikel, zum Beispiel für
Petermanns Geographische Mitteilungen,
Berlin. Denn das zivilisationsmüde Europa interessiert sich brennend für alles, was noch den Hauch des richtigen Lebens atmet.
Ein Jagdausflug im Lande der Bogos
Von Werner Munzinger
Müde und halb krank von den Geschäften des Alltags, entschloß ich mich, ein paar Tage auf der Jagd zuzubringen. In der Ebene von Shotel, etwa zehn Kilometer südlich von Keren, vernahm ich von den Hirten, daß die Gegend von Rhinozerossen voll sei. Ich vertiefte mich mit meinen zwei Dienern, die meine Gewehre trugen, im Gehölz. Wir fanden sogleich zahlreiche Rhinozerosspuren, die sich vielfach kreuzten. Ich ging voran, einer meiner Leute hinter mir; der andere blieb etwas zurück, um sich über den Lauf einer frischen Spur zu vergewissern. Ich war kaum in das Gehölz hineingetreten, als ich zwanzig Schritte vor mir das dem Rhinozeros eigentümliche Schnauben hörte. Ich nahm das Gewehr meines Dieners. Mein eigener Stutzen, der viel genauer und kräftiger ist, der mich nie im Stich läßt, den ich immer selbst lade und putze, der mein Bettgenosse ist, befand sich unglücklicherweise beim anderen Diener, der noch immer wohl vierzig |118| Schritte von mir entfernt war. Auf ihn zu warten, war es zu spät; denn das Rhinozeros zeigte mit seinem Schnauben, daß es uns wahrgenommen hatte. In einer Minute mußte es entweder uns auf dem Leibe oder entflohen sein. So bewaffnete ich mich mit dem unzuverlässigen Stutzen und bewegte mich in der Richtung, woher das Schnauben kam, vorsichtig vorwärts; hinter einem Dornengebüsch befanden sich zwei Rhinozerosse, eine Mutter mit einem fast zwei Ellen langen Horn und ihr wohl dreijähriges Junges. Sie waren kaum zehn Schritte von mir entfernt, ohne meiner gewahr zu werden; ihre Aufmerksamkeit war auf meine beiden Leute gerichtet, die sich weiter unten befanden, und die Nashörner schickten sich an, sich auf sie zu werfen. Ich legte auf das Ohr der Mutter an, zielte lange – denn diesmal wollte ich ganz sicher sein, die Gelegenheit war zu köstlich –, ich zielte lange und schoß – die Kapsel platzte, ohne das Pulver zu entzünden. Während ich eine neue Zündkapsel auftat, wandten sich die Tiere gegen mich; doch bevor ich neu anlegen konnte, verschwanden die Nashörner im Gebüsch. Die Schnelligkeit ihres Laufes und das Schnauben, das sie dabei ausstießen, erinnerten an die Lokomotive, die Dampf ausläßt. Es war mir nicht mehr möglich, genau zu zielen; doch mußte ich an das Heil meiner Leute denken, die dem Angriff der Tiere ausgesetzt waren. Ich schoß; diesmal fing das Pulver Feuer; aber ich weiß nicht, wohin die Kugel geraten ist.
Ich war fast zornig, während meine Leute |119| große Freude über meine Rettung hatten. Denn, meinten sie, hätten sich die Tiere gegen mich gewandt, so wäre ich ohne Zweifel verloren gewesen; denn in meiner Nähe war kein hoher Fels und kein Baum, worauf ich mich hätte flüchten können.
Wir suchten die Spuren der verschwundenen Tiere; doch hatten sie so große Sätze genommen, daß es gleich vernünftig gewesen wäre, ihnen nachzugehen, wie einem abgegangenen Eisenbahnzuge nachzueilen.
Müde und durstig setzten wir unseren Weg bis zur unteren Quelle fort. Da entdeckte einer meiner Diener etwas Großes, Wildähnliches, das gerade am Rande des Wassers unter einem Baume im Schatten sich bewegte. Wir
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