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Munzinger Pascha

Munzinger Pascha

Titel: Munzinger Pascha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Capus
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läuft zum Viehmarkt von Khartum und kauft drei Kamele. Zu Hause angekommen, weckt er sein Weib.
    »Pack all unsere Sachen zusammen. Verkauf, was du kannst, und schenk den Rest den Nachbarn. Wir ziehen fort.«
    »Wohin?«
    »In die Schweiz. Dort werden die Kinder hundert Jahre alt.«
    Adolf Haggenmacher wählt nicht den direkten Heimweg auf dem Nil hinunter nach Kairo und Alexandria. Er will über Kassala und Keren ans Rote Meer, um unterwegs mit Handelsgeschäften die Reisekasse aufzubessern. Aber er hat Pech. In jenem Jahr suchen Trockenheit, Viehseuchen, Hungersnöte und Teuerung den Sudan und Abessinien heim. Mit Müh und Not erreicht die Familie Massaua, und nach dem Verkauf der abgemagerten Kamele bleibt gerade genug Geld für die Schiffahrt nach Suez.
    Völlig mittellos stehen Haggenmachers eine Woche später am Hafen von Suez. Irgendwie müssen sie nach Kairo gelangen; dort hat Haggenmacher Bekannte, die ihm bestimmt weiterhelfen werden. Plötzlich ist da Hufgetrappel und das Gestampfe von Marschstiefeln. Haggenmacher bringt Frau und Kind vor den Soldaten in Sicherheit. Jemand brüllt einen Befehl, das Getrappel und Gestampfe erstirbt. Aus der Mitte der Soldaten reitet ein Mann auf die Haggenmachers zu. Der Kleidung nach ist es ein Würdenträger des Osmanischen Reiches; der Rock sitzt straff, auf dem Kopf |179| trägt er einen roten Fez und auf der Brust eine Menge bunter Orden. Aber er hat blaue Augen. Es ist Werner Munzinger, der neu den militärischen Titel eines Bey trägt und schon bald den Ehrentitel eines Paschas erhalten wird; er ist auf dem Rückweg von Kairo, wo ihn der Khedive Ismail, der Vizekönig, zum Gouverneur von Massaua und den Provinzen am Roten Meer ernannt hat. Werner Munzinger steigt vom Pferd und stellt sich vor, wie das im Orient üblich ist unter Europäern. Er lädt die Familie ins nächste Kaffeehaus ein, die Soldaten müssen draußen warten. Nach dem zweiten Kaffee sagt Werner: »Was wollen Sie in dem alten Europa! Kommen Sie mit mir, ich habe Arbeit für Sie!«
    Haggenmacher sagt sofort zu.
    Werner Munzinger besitzt jetzt ein eigenes Schiff, die ›Tûr‹, einen kleinen Dampfer von 358   Tonnen und 450   Pferdestärken mit zwei Heizkesseln, zwei Schrauben, drei Segelmasten und einem Kamin. Abends um sechs Uhr werden die Leinen losgemacht. Mit dem neuen Gouverneur, dessen Soldaten und der Familie Haggenmacher an Bord nimmt das Schiff Kurs auf Massaua.
    Nach fünf Tagen kommen die drei Inseln von Massaua in Sicht. Der Kapitän läßt die Flagge hissen, und von den Inseln her wird Werner Munzinger mit Salutschüssen begrüßt. Die ›Tûr‹ legt an, Werner geht mit seinem Gefolge von Bord. In den Gassen stehen die Menschen Spalier, sie rufen und jubeln, und Werner salutiert nach allen Seiten. Er zieht in den Gouverneurspalast ein, wo ihn Oulette-Mariam erwartet; der Palast ist schlicht gehalten, aber immerhin das einzige |180| dreistöckige Gebäude in Massaua und geräumig genug, um auch Haggenmachers Familie Obdach zu bieten. Haggenmacher kann sein Glück nicht fassen.
    Für Werner Munzinger aber hat der Arbeitstag erst begonnen. Seine Diener nötigen ihn, Platz zu nehmen auf jenen großen, bunten Kissen, die einem orientalischen Herrscher zustehen. Oulette-Mariam setzt sich neben ihn, und dann beginnt das endlose Defilee der Gratulanten und Bittsteller, der Heuchler und Kriecher, die sich in zeremoniellen Begrüßungen, Vorstellungen und Ergebenheitserklärungen ergehen. Beduinenhäuptlinge werden abgelöst von schwedischen Missionaren, ägyptische Offiziere von abessinischen Handelsleuten, der französische Konsul von einem britischen Kapitän, und alle werden sie mit Kaffee und Tabak bewirtet, und alle wollen sie etwas von Werner Munzinger.
    Oulette-Mariam hat’s gut, von ihr will keiner etwas. Mit halbgeschlossenen Augen und kerzengeradem Rücken sitzt sie still da und lächelt in ihre Kaffeetasse hinein. Von Zeit zu Zeit sieht sie ihren Ehemann an, und dann zeigt sie ihre weißen Zähne.
    »Ich wünschte, du würdest mich nicht auslachen!« zischt Werner in einem unbeobachteten Moment.
    »Du würdest auch lachen, wenn du an meiner Stelle wärst.«
    »
Du
hast gewollt, daß ich das Amt übernehme. Wäre es nach mir gegangen, wir wären hübsch und still in unserem gemütlichen Steinhaus geblieben.«
    »Nicht ich habe es gewollt, der Khedive hat nach Deinen Diensten verlangt, weil du den Engländern nützlich warst. Das konntest du ihm nicht abschlagen, |181| das wäre

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