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Murats Traum

Murats Traum

Titel: Murats Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabian Kaden
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Klamotten keinen Anlass zum L ästern, er trug nur irgendwelche Schlabbershorts, dazu ein verwaschenes T-Shirt. Seine blonden Haare strubbelten ohne Gel in alle Richtungen, und er war unrasiert, auf seinem Kinn lag ein fast unmerklicher Schatten, der ihn merkwürdigerweise noch jünger machte, jünger und männlicher zugleich. Ich wagte kaum, ihn länger anzusehen, so sehr wollte ich ihn.
    Wir luden einen Haufen Futter und Getränke aus dem Kofferraum und lüfteten die Bude. Ich war gespannt, wie später die Schlafplätze aufgeteilt w ürden. Carlo und Paul waren schon einmal zusammen hier gewesen, Philipp früher auch mit Carlo ... und mit wem sonst noch alles.
    Ich beobachtete Carlo und Paul und stellte sie mir als Paar vor. Der Altersunterschied schien für beide genau das Richtige zu sein. Carlo strahlte Ruhe aus, er war der Felsen, auf den du dich verlassen kannst. Murat hatte gleich einen Draht zu ihm, eine Art Respekt und konkurrenzloses Einvernehmen. Er suchte seine Nähe. So entspannt war er unter Fremden sonst nicht, das ging eindeutig auf Carlos Konto. Anders mit dem quirligen Paul. Auf den war Murat scharf. Alle merkten es, wie er den Kleinen mit Blicken verschlang, gequält und wehrlos.
    «Ins Wasser, Leute!» Der Kleine fing als erster an, sich auszuziehen. Philipp gab Handtücher aus. Die Hütte konnte offen bleiben. Murat behielt seine knielangen Badeshorts an, wir andern liefen nackt den Dünenweg runter zum Strand. Dort lagen nur noch vereinzelt Leute, die zu uns r übersahen, keiner störte sich an
    uns.
    Carlos Fünftagebart setzte sich abwärts fort. Seine breiten Brustplatten und sein Bauch waren mit diesem dunklen, kurzen Drahtfell bewachsen. Sein Schamhaar und die Eier waren unrasiert, sein Schwanz war so schwer und fest wie alles an ihm.
    Ich schielte zu Philipp hin und war froh, dass ich keinen Steifen bekam. Murat blieb am Ufer und schaute dem kleinen Muskelbalg hinterher, wie es juchzend rausstürmte in die kniehohen Wellen, langsam gefolgt von Philipp und seinem Ex, die leise und vertraut miteinander sprachen.
    «Schwimmt ihr nicht mit raus?», fragte Carlo.
    «Zu kalt», rief Murat.
    «Mir auch », log ich und winkte den beiden zu.
    Ich hatte Murat versprochen, keinem zu verraten, dass er niemals am Meer gewesen war und außerdem nicht schwimmen konnte. Ich blieb bei ihm, wir gingen nur ein paar Meter raus, bis zu den Knien. Er wirkte in sich gekehrt und sah aufs Wasser. Seine Haut schimmerte im Abendlicht wie Kupfer. Fett und glutrot hing die Sonne eine Handbreit überm Horizont. «Alles fein?», fragte ich.
    «Warum war ich bloß noch nie hier?» Er klang bitter.
    «Komm, noch ein Stück. »
    «Lieber nicht.»
    «Bis zum Bauch, okay?»
    Widerstrebend folgte er mir, immer nach unten blickend, als lauerten am Grund die Haie. Ich verkniff mir das Lachen. Murat blickte mich stirnrunzelnd an. Es gefiel ihm nicht, dass ich ihn so hilflos sah. Schließlich standen wir bis zum Bauchnabel im Wasser, doch als eine unerwartet heftige Welle unsere Schultern überspülte, kehrte Murat mit hochgestreckten Armen eilig um.
    Philipp behielt Recht, nach Einbruch der Dunkelheit wurde es am Strand rasch kühl. Für den n ächsten Tag versprach der Wetterbericht satte dreißig Grad, aber jetzt fiel die Temperatur auf zwölf. Alle hatten Hunger, und wir wechselten hoch in den Bungalow. Ein Ölradiator und die Kocherei machten es drinnen bald mollig warm, ein Übriges taten der Rotwein und die Kerzen. Unsere Wangen glühten. Carlo ließ einen Joint rumgehen, kräftiges Kraut. Und er hatte Musik mit, zum Essen gab es Klassik, hinterher Billie Holiday. Ich las die CD-Hülle. Bis dahin hatte ich immer geglaubt, Billie Holiday sei ein Mann.
    «Mit euch ist es sch ön!» Der Kleine hob verträumt sein Glas und stieß mit uns an. Er hatte einen Schwips und wurde quengelig. «Ich will tanzen! Wer tanzt mit mir?» Als außer ihm niemand aufstand, stemmte er die Fäuste in die Hüften und funkelte empört in die Runde. Carlo kannte das schon und assistierte ihm am üsiert.
    «Schlaffe Säcke», schimpfte der Kleine. «Mach doch wenigstens mal einer andere Musik!»
    Carlo stand auf und wechselte die CD. «Gemischtes Schmalz, bitte sehr.» Eine grottentraurige Johnny-Cash-Nummer, die mir eine Gänsehaut machte.
    «Carlo, was ist los, liebst du mich nicht? »
    «Doch, sehr.»
    «Und warum tanzt du dann nicht mit mir?»
    «Weil ich dich nicht richtig anschauen kann, wenn ich mit dir tanze.»
    «Heißt das, du liebst mich

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