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Murats Traum

Murats Traum

Titel: Murats Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabian Kaden
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lieber aus der Ferne?»
    «Von Zeit zu Zeit, genau.»
    «Und was siehst du, wenn du mich anschaust?»
    «Meinen Freund, den ich liebe, und mit dem ich zusammensein will.»
    «Och, du Langweiler! Fällt dir nichts Aufregenderes ein?»
    «Was denn? »
    «Zum Beispiel könntest du sagen, heh, Mann, ich sehe da vor mir den absoluten top sexy Boy, dem ich unverzüglich die Klamotten vom Leib fetzen muss. Aber was machst du? Du wedelst bloß matt mit ’nem Ehevertrag.»
    Wir lachten. Der Kleine war wirklich süß. Murat saß mit roten Ohren auf seinem Stuhl, und ich wartete gespannt, was Carlo jetzt einfallen würde.
    «Vergebung », rief er. «Ich bin eben altmodisch. Angesoffen und vollgefressen! Ein trauriges Beispiel für den Zustand der Welt.»
    «Handlungsunfähig, oder wat?»
    «Exakt. Bitte höflichst darum, sich die Klamotten selber vom Leibe zu fetzen. Die Tafelrunde goutiert und genießt. »
    Ich beobachtete Philipps Gesicht, während Carlo sprach. Es verströmte soviel Zuneigung. Ob er seinen Ex noch liebte? Die Möglichkeit wühlte mich nicht auf, sie war etwas Klares, Rationales, das mich plötzlich nicht mehr erschreckte. Für einen kurzen Moment sah Philipp zu mir rüber – es war ein langer, langer kurzer Moment.
    Tatsächlich zog sich der Kleine aus – offenbar seine Lieblingsbeschäftigung. Ich h ätte erwartet, dass er sich zu der Musik bewegen würde, aber er stand nur da und zog sich aus, sein kurzärmeliges Hemd, dann die Hose, ohne das Gleichgewicht zu verlieren. Seinen Slip warf er Murat zu, und Murat fing ihn so schnell, als wehrte er einen Schlag ab. Ein neues Lied begann, Nothing Compairs To You, auch nicht gerade ein Karnevalsknaller. Der Kleine trat keck auf Murat zu und zog ihn vom Stuhl. Murats Blick ging zu Carlo, der zustimmend lächelte.
    Noch niemals hatte ich Murat mit einem Jungen tanzen sehen. Steif legte er seine Arme um Paul, der ihm bis knapp unter die Nase reichte. Seine Haut war glatt und vollkommen haarlos, auch an den Beinen und um den Schwanz, der ein bisschen abstand, kurz und dick. Ich stellte ihn mir als ölglänzenden Kämpfer vor, wie er bei Probeaufnahmen posiert für einen Softporno über ein Trainingscamp, bevölkert von kindlichen Ninjas mit runden Muskeln. Die Messernarbe auf seiner Wange war ein winziger Makel, der ihn noch begehrenswerter machte. Er h ätte Murats jüngerer Bruder sein können. Sie bewegten sich langsam, die Gesichter gesenkt.
    Philipp stand auf, um uns Rotwein nachzugießen. Er hätte dazu nicht aufstehen müssen. Er goss Carlos Glas voll, dann ging er um den Tisch herum, kam so dicht an mich heran, dass ich seine Wärme zu spüren meinte, seinen Geruch, und der Wein lief langsam in mein Glas. «Danke», sagte ich mit d ünner Stimme. Philipps Hand strich über meine Schulter, bevor er auf seinen Platz zurückkehrte – seine erste Berührung seit Tagen.
    Carlo prostete mir zu und wir stießen alle drei miteinander an. Ich hatte das Gefühl, dass er mich mochte und sehr genau ansah, die ganze Zeit schon, freundlich prüfend. Was hatte Philipp von mir erzählt? Auf einmal kam ich mir jung und unfertig vor, besonders neben Carlo in seiner Ruhe und Erfahrung. Er wirkte mit Philipp so intim, dass ich nicht verstand, warum die beiden überhaupt auseinandergegangen waren.
    Ich ging nach draußen zum Pinkeln. Eine Katze huschte vor mir weg in die B üsche. Der Himmel war riesig und mit zahllosen Sternen übersät, wie er in der Stadt nie zu sehen ist. Nur in drei oder vier der anderen Bungalows brannte Licht, die meisten waren offenbar unbewohnt. Aus unserm Fenster strömte der warme Kerzenschein ins Freie. Ich stand davor, nicht mehr ganz nüchtern, und hätte am liebsten den Mond angeheult. Aber es gab keinen Mond weit und breit, nur da drinnen diese komische kleine Truppe. Carlo und Philipp tanzten jetzt auch. Ich sah ihnen zu aus der kühlen, salzigen Dunkelheit. Murats Hände streichelten Pauls Rücken, machten aber an der steilen Wölbung seines Hinterns halt. Philipp, barfuss und unrasiert, mit geschlossenen Augen an seinen starken Ex geschmiegt. Sie schienen beide zu l ächeln, als erinnerten sie sich an irgendwas.
    Ich ging wieder rein. Philipp und Carlo trennten sich. «Trinken wir noch eine?» Carlo nahm die leere Weinflasche vom Tisch. Philipp nickte. Wie seine Augen leuchteten! Er kam auf mich zu, und plötzlich tanzten wir. Ich wagte nicht, ihn an mich zu pressen, wie ich es gewollt hätte, und seine Umarmung kam mir genauso gehemmt vor.

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