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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: An Evening of Long Goodbyes
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sah ein Stadion voller
Männer, die Zylinder und Frack, schwarze Fliege und Nelke im Knopfloch trugen,
und die alle dem Hund zujubelten, gegen den sie gewettet hatten. Und während
ich den Blick über die Menge schweifen ließ, sagte die versonnene Stimme hinter
mir: »Wie hat Oscar immer gesagt? In einer guten Demokratie sollte
jeder Mensch Aristokrat sein.«
    Ich drehte
mich um - es gab noch so viel, das ich ihn fragen wollte, es gab so viele
Dinge, die ich nicht verstand. »Warte!«, schrie ich. »Komm zurück!« Aber er war
schon fast an der Tür, als er sich etwas auf den Kopf setzte, was wie ein
riesiger Sombrero aussah, und schließlich im Gedränge verschwand. Auf der Bahn
schaffte es An Evening of Long Goodbyes, nachdem er unterwegs mehrere Male
dramatisch kollabiert war, seinen Kadaver über die Ziellinie zu schleppen. Die
Zuschauer rasteten aus. Es war, als hätten wir gerade einen Krieg gewonnen. Die
Leute juchzten und sangen, sie zerrissen ihre Verlierertickets und warfen sie
in die Luft wie Konfetti. Plötzlich stand Frank lachend vor mir und schloss
mich in die Arme. »Drin der Fisch, Charlie!«, rief er. »Drin der Fisch!«
    Jemand
musste ihn gehört haben, denn bevor ich ihn noch auf seine lückenhaften
Kenntnisse der Fauna hinweisen konnte, hatte man uns schon in die Höhe gehoben,
und ein Meer von fremden Händen reichte uns bis zum Auszahlschalter durch. Der
Angestellte schloss sich rasch unserer Meinung an, dass es von schlechtem Stil
zeuge, das Rennen für ungültig zu erklären, und zahlte den Gewinn auf der
Stelle aus. Alle applaudierten, und Frank fragte, ob jemand einen Drink wolle,
was fast alle bejahten. In der atemlosen Euphorie dauerte es eine Zeit, bis ich
dieses irritierende Piepsgeräusch lokalisieren konnte. Schließlich begriff
ich, dass es Bels Handy war, das da piepste. Ich hatte es ihr eigentlich heute
Abend geben wollen. Das Gerät spielte eine Art nervöser Melodie. Ich drückte
ein paar Knöpfe, worauf sie verstummte und das Gerät anfing, zu mir zu
sprechen. Es war die Stimme eines Mädchens, das mit Bel sprechen wollte.
    »Sie ist
nicht hier!«, brüllte ich, während ich den Finger ins andere Ohr steckte. »Sie
ist zu Hause.«
    »Da meldet
sich niemand«, sagte das Mädchen.
    »Da läuft
gerade eine Dinnerparty, vielleicht hört's keiner«, sagte ich.
    »Na ja,
egal. Könnten Sie ihr was ausrichten?« Das Mädchen hatte eine heisere, raue
Stimme, als hätte sie es sich zur Gewohnheit gemacht, zu viele Zigaretten zu
rauchen. »Sagen Sie ihr bitte, dass Jessica...«
    »Moment,
Sie sind Jessica?«, unterbrach ich sie.
    »Ja, bin
ich, mein Ruf scheint mir ja vorauszueilen.«
    »Und ob er
das tut«, sagte ich bestimmt. »Darf ich Sie fragen, was das soll, einfach so
mit meiner Schwester durchzubrennen?«
    »Ich war
mir gar nicht bewusst, dass ich mit irgendwem durchbrenne«, sagte das Mädchen.
»Mit wem spreche ich eigentlich?«
    »Charles«,
sagte ich.
    »Oh«,
sagte sie. »Bel hat mir von Ihnen erzählt«, fügte sie ziemlich spitz hinzu.
    »Das tut
jetzt nichts zur Sache«, sagte ich. »Tatsache ist, dass Bel nicht in der Lage
... Moment mal, was soll das heißen? Was hat sie Ihnen über mich erzählt?«
    »Och, alle
möglichen Sachen«, sagte Jessica ziemlich aufgekratzt. Als hätte sie bis eben
nichts von all den Sachen geglaubt.
    »Nun ja,
wie auch immer«, brummte ich verlegen. »Also, die Sache mit Bel ist...«
    »Gehen Sie
nicht zu dem Dinner?«, unterbrach sie mich. »Stehen Sie etwa auf der schwarzen
Liste?«
    »Doch,
doch, natürlich geh ich hin«, blaffte ich sie an. »Was ist, geben Sie mir jetzt
die verdammte Nachricht oder nicht?«
    »Sicher«,
sagte sie steif. Der Flug ginge morgen früh um sieben, und ob Bel sich für
vier ein Taxi bestellen und sie dann von zu Hause abholen könne? Ich sagte, ich
würde es ausrichten. Es entstand eine Pause, und gerade als ich den Knopf zum
Ausschalten suchen wollte, sagte die Stimme: »Charles?«
    »Ja?«
    »Ich
glaube nicht, dass Bel das alles so meint, was sie über Sie erzählt.«
    »Mmm«, sagte ich vieldeutig. »Und
noch was, Charles.«
    »Ja?«
    »Ich
verspreche Ihnen, dass ich gut auf Bel aufpassen werde in Russland.«
    »Oh.« Ich
war ziemlich gerührt. Möglich, dass sie sich lustig machte über mich, aber aus
irgendeinem Grund glaubte ich das nicht. Da war eine Wärme in ihrer Stimme, die
war in der Tat ziemlich anziehend. »Tja, danke.«
    »Und Sie
machen sich jetzt besser auf den Weg zu diesem Dinner, sonst

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