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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: An Evening of Long Goodbyes
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herben Kick spürte. Zur Hölle
mit dem verdammten Rennen. Ich hatte noch Geld für genug Whisky, um mir
endgültig den Rest zu geben. Wenn ich voll war, wusste ich wenigstens, woran
ich war. Und um das zu schaffen, brauchte ich von niemandem Ratschläge. Zur
Hölle mit Frank und der lausigen Dinnerparty, auch Bel konnte von mir aus zur
Hölle fahren. Sollte sie doch abhauen, wenn sie unbedingt wollte, sollte sie
doch den einzigen Menschen fallen lassen, der sich wirklich um sie sorgte, der
sie nicht für einen ambulanten Dauerpatienten mit unerfüllbaren Träumen hielt.
    Die Zocker
brüllten voller Qual.
    »Hört sich
an, als kriegt einer richtig was aufs Maul«, bemerkte der weißhaarige Herr
neben mir.
    »Einer
kriegt immer was aufs Maul«, brummte ich, ohne den Kopf zu heben.
    »Tja,
stimmt wohl«, sagte der Herr.
    Ich
schaute zur Seite. Ich konnte kaum etwas sehen, wegen des Rauchs, außerdem
drehte sich der Raum. Als ich die Augen zusammenkniff, erkannte ich einen
Kammgarnanzug, gut geschnitten, ein wenig altväterlich vielleicht, und eine
Nickelbrille. Ich fragte mich, was er unter all dem Pöbel zu suchen hatte. Er
bedeutete dem Mädchen hinter der Bar, unsere Gläser aufzufüllen, und sagte,
als ob er meine Frage erraten hätte: »Gelegenheiten, die sich einem bieten,
muss man beim Schopf packen, oder nicht?«
    »Wüsste nicht,
warum«, sagte ich und klackerte mit den Eiswürfeln in meinem Glas.
    »Komm
schon, Charles«, sagte er und lachte leise. »Du weißt, warum.«
    Der Raum
schien zu schlingern, und von den Zehen aufsteigend durchflutete ein kochend
heißes Prickeln meinen Körper. Im selben Augenblick brüllte die Menge wieder,
und die Zocker an der Bar eilten zum Fenster. Irgendwie war ich mit nach vorn
gerissen worden, stellte mich auf die Zehenspitzen und lugte mit
verschleierten Augen über die Köpfe hinweg.
    Es hatte
den Anschein, als habe Celtic Tiger, nachdem er seinen Feind bezwungen hatte,
das Rennen nicht wie ein vernünftiger Hund beendet, sondern stattdessen seine
Aufmerksamkeit der kläglichen, sich hundert Meter hinter ihm zusammendrängenden
Meute zugewandt.
    »Gottverdammte
Scheiße«, heulten die Zocker und umklammerten ihre Köpfe, während die feige
Meute floh und Celtic Tiger hinter ihnen her jagte. »Da lang, du Pisser! In die
andere Richtung.«
    »Zu viel
Angel Dust«, erläuterte der neben mir stehende Zocker, ein Mummelgreis mit
Stoppelbart und lebensmüden Augen.
    Aber das
war nicht alles. Auf der anderen Seite der Bahn - weit weg von der Stelle, wo
die Ordner mit einer Eisenstange Celtic Tiger aufzuhalten versuchten - gab An
Evening of Long Good-byes wieder Lebenszeichen von sich. Weil jeder die
Bemühungen verfolgte, den fahnenflüchtigen Favoriten zur Fortsetzung des
Rennens zu bewegen, fiel das zunächst niemandem auf. Bis eine einzelne Stimme
schrie: »He! Die fette Töle ist noch gar nicht tot!«
    Kurz
herrschte Stille, dann setzte kollektive Hektik ein. Jeder schaute im
Rennprogamm nach der Startnummer, dann skandierten aus verschiedenen Ecken der
Menge einzelne Stimmen den Namen: An Evening ofLong Goodbyes! An
Evening of Long Goodbyes!
    Er schlug
mit dem Schwanz einmal, dann ein zweites Mal auf den Boden.
    Weitere
Stimmen. Die Anfeuerungsrufe wurden lauter. An
Evening of Long Goodbyes! An Euening of Long Goodbyes!
    Langsam,
qualvoll langsam, rappelte der Hund sich auf. Die Beine schwach und unbeholfen
wie die eines neugeborenen Kalbs, das regennasse Fell verklebt am knochigen
Kopf, so stand er da und blinzelte uns verwundert an.
    Der Lärm
war ohrenbetäubend. Die Männer schrien, trommelten gegen das Fenster,
stampften mit den Füßen. »Jawoll!«, gröhlten sie. »Los, du Penner, lauf! Komm
schon, Long Goodbyes!« Wir brüllten im Chor, als sei jeder Einzelne von uns
nur deshalb gekommen, um diesen zerfleischten und ziemlich krätzigen Hund
anzufeuern. Der höllische Lärm, die Energie, die von dem Krach ausging,
schienen ihm neue Kraft zu geben. Als Celtic Tiger von zwei Männern mit
Knüppeln in einen Käfig bugsiert worden war und der Jubel zum Orkan anschwoll,
wackelte er mit dem Schwanz, setzte sich langsam in Bewegung und trottete der
Ziellinie entgegen.
    »Sprezzatura«, sagte eine Stimme in meinem Ohr. Ich schaute mich um und sah zwischen
den Säulen aus Rauch, inmitten der wogenden Menge, eine diffuse graue Gestalt,
die mir bekannt vorkam. »He?«, sagte ich schwach. Die Gestalt lächelte geheimnisvoll
und deutete zum Fenster. Ich schaute mich wieder um und

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