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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: An Evening of Long Goodbyes
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fürchterlichen Lawine verschüttet wurden. Doch als ich wieder
aufwachte, standen wir vor dem alten Haus und die Lawine war lediglich Franks
knurrender Magen gewesen.
    Ich weiß
nicht, wen Mutter so spät noch erwartet hatte, aber sie schien überrascht, als
sie die Tür öffnete und mich da stehen sah. Tatsächlich wurde sie ganz blass,
das Sherryglas glitt ihr aus der Hand und ergoss seinen Inhalt über den Boden.
    »Es ist
alles in Ordnung, Charles, lass nur«, sagte sie und hatte sich gleich wieder im
Griff. »Ich hatte niemanden mehr erwartet, das ist alles. Hatte ich nicht
gesagt, punkt acht? Also wirklich, bist du jetzt schon so weit, dass du so
etwas für ein sauberes Hemd hältst?«
    Ich wollte
ihr alles erklären, fing von der Miete und dem Rennen an, doch sie fiel mir
sofort ins Wort. »Charles«, sagte sie und schaute nach unten. »Da tropft etwas
auf deinen Schuh, sehe ich das richtig?«
    »Das
wollte ich dir gerade erklären. Mutter, darf ich dir das neueste Mitglied
unserer ... unserer Gang vorstellen. An Evening of Long Goodbyes.«
    »Du hast
hoffentlich nicht vor, das da mit ins Haus zu nehmen.«
    »Tja,
weißt du, das ist eine Art Abschiedsgeschenk für Bel.«
    »Wenn du
glaubst, Charles, ich lasse zu, dass dieses flohverseuchte Vieh auf meinem
Parkett stirbt, während ich Gäste im Haus habe, dann...«
    »Er stirbt
nicht. Er hat ein paar Hiebe einstecken müssen, das ist alles. Ein bisschen was
zu fressen, und er ist wieder topfit. Na komm schon.«
    Mutter
seufzte schwer und drückte den Rücken durch. Aus dem Haus drangen gedämpfte
Geräusche von fröhlichem Treiben zu uns. »Wo ist Patsy?«, fragte sie, hielt
sich ihre Lorgnette vor die Augen und schaute angestrengt in die Dunkelheit.
Dann wandte sie sich wieder mir zu. »Charles«, sagte sie sotto
voce. »Das ist nicht Patsy Ole.«
    »Nein,
Mutter, das ist Frank. Du erinnerst dich doch an Frank?«
    »Doch nicht der Junge aus der
Garderobe?«
    »Doch, doch, das ist er.«
    Die Enden
ihrer Mundwinkel senkten sich noch ein klein wenig tiefer. »Ich weiß von
einigen Personen, die sich sehr für seine Meinung betreff des Verbleibs ihrer
Handtaschen interessieren würden.«
    »Also
komm, das ist doch lächerlich«, protestierte ich. »Frank ist ein grundehrlicher
Mensch. Da, schau ihn dir doch an...«
    Wir
begutachteten den an seinem Lieferwagen lehnenden Frank ein weiteres Mal. Er
winkte uns mit zappeligen Finger zu und grimassierte grauenerregend.
    »Ich pass
auf ihn auf, ich versprech's dir.«
    Als Mutter
durch die Nase ausatmete, war ein schwaches Pfeifgeräusch zu hören. »Also gut«,
sagte sie. »Sollte sich jedoch nur ein Hauch von Belästigung ...« Sie ließ die
Drohung unvollendet in der Luft hängen. »Und bring dieses Ding da bitte durch
die Küche ins Haus.«
    Ich war
mir nicht sicher, ob sie Frank oder den Hund meinte, aber ich fragte auch nicht
nach. Ich nickte Frank zu, und er kam leicht schwankend herüber. Wir packten
den geschlagenen Hund an beiden Enden, hoben ihn hoch und schlugen uns in den
klatschnassen Garten.
    In den
Fenstern hing Rokokoweihnachtsschmuck. Alle Lampen im Haus brannten und
tauchten den Rasen und die kahlen Bäume des Obstgartens in ein butterweiches
Licht. Stolz wie ein sein Königreich überblickender Berglöwe stand der
flaschengrüne Mercedes vor der Garage. Von außen wirkte die Küche wie eine
griechische Trauerfeier: Hektische Kellner in Schwarz trugen Geschirr herum
und ließen Schüsseln in zitternde Berge aus Seifenlauge fallen. Niemand
schenkte uns und unserer seltsamen Fracht Beachtung, bis wir auf Mrs P stießen,
die in der Nische neben dem Kühlschrank herumfuhrwerkte.
    »Master
Charles!«, kreischte sie und schlang ihre Arme um mich. »Sie haben Gesicht
wieder! Wunderschönes Gesicht!« Und dann erblickte sie den Hund. »Ach Gott,
Master Charles, haben Sie den überfahren mit Auto?«
    »Nein«,
sagte ich ärgerlich. »Das ist ein Abschiedsgeschenk für Bel.«
    Sie sagte
etwas auf Bosnisch, und Zoran, der Sohn mit dem runden Schädel, kam herüber und
drückte mit den Fingern auf den Rippen des Hundes herum.
    »Ich
glaube, der ist ... wie sagt ihr dazu ... erledigt?«
    »Er ist
nicht erledigt. Ich wünschte, ihr würdet endlich damit aufhören, dauernd solche
Sachen zu sagen, das regt ihn bloß auf«, sagte ich. Allerdings stimmte es
schon, dass er nicht gerade den besten Eindruck machte, wie er da so reglos auf
dem Boden lag. »Er musste ein paar Hiebe einstecken, das ist alles. Er braucht
was

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