Murray, Paul
mich. Ich löste mich von
der Säule und beschloss, zu Fuß nach Hause zu gehen. Das würde mich beruhigen.
Ich ging die Ballinclea Road hinauf und durch die Eisentore des
Killiney-Hill-Parks. Doch anstatt mich zu beruhigen, schienen sich die Parkwege
- meine Parkwege, auf denen ich tausendmal
geschlendert war - gleichgültig unter mir davonzuschlängeln. Die sich im Wind
beugenden Bäume sahen aus wie ältere, missbilligend die Köpfe schüttelnde
Herrschaften, und die Vögel kreischten und jammerten, als wollten sie Alarm
schlagen. Die Berge, der Himmel, der dunkle Stechginster, die graublau wogende
See - alles war unsichtbar, verschluckt von den Nachmittagswolken; wie einem
unwürdigen Passanten versagten sie mir ihre Schönheit.
Bald
begann es zu regnen, und als ich in Amaurot ankam, war ich durch und durch
nass. Ich ging die Auffahrt hinauf, und in den wogenden Schleiern des Regens
tauchte das Haus auf. Ich glaubte, auf meinen Schultern sein Gewicht zu spüren.
»Ich kann das nicht!«, flüsterte ich. »Du bist zu schwer!« Und je näher ich kam,
desto weiter zog sich das Haus in den Regen zurück.
Es
schüttete jetzt. Ich ging in die Küche, um mir ein Handtuch zu holen. Durchs
Fenster sah ich Mrs P, die mit einem Korb Wäsche entlang der windgeschützten
Seite des Turms Richtung Wäscheleine schlich. Mit einem von Bels
Theatermagazinen über dem Kopf lief ich hinter ihr her. »Was machen Sie hier
draußen?« Sie blieb ruckartig stehen und riss die Schultern hoch. »Geben Sie
mir den Korb«, sagte ich und griff danach. »Sie können doch im Regen keine Wäsche
aufhängen.« Wortlos gab sie mir den Korb. Ich schaute mir den Inhalt an:
Decken, Handtücher, Bettlaken und einmal mehr diese schrecklichen Unterhosen,
in denen reichlich Platz war für Grauen und dunkle Geheimnisse. Alles war
trocken und gebügelt. »Gehen Sie ins Haus«, befahl ich ihr streng. Mrs P
schaute mich an, als würde sie jede Sekunde anfangen zu weinen. »Gehen Sie ins
Haus und legen Sie sich ins Bett. Ich entbinde Sie von Ihren Pflichten, bis der
Arzt Sie angeschaut hat.«
Und dann
fing sie tatsächlich an zu weinen. Ich stellte den Korb auf den Boden, hakte
sie unter und führte sie zum Haus zurück. Während wir über das nasse Gras
gingen, schluchzte sie ohne Unterbrechung, und ich kam mir vor, als führte ich
einen Gefangenen zum Schafott. In der Küche setzte ich sie auf einen Stuhl und
machte ihr einen Tee.
»Was ist
los?«, fragte ich. »Was ist los mit Ihnen?« Aber sie wedelte nur mit den Händen
vor ihrem Gesicht herum, bevor sie ihren Tränen wieder freien Lauf ließ.
Ich stand
am Spülbecken und schaute hinaus in den Regen und in den Himmel, der von dem
gleichen stumpfen Grau war wie die Ziegel des Turms. Plötzlich fühlte ich mich
wie in der Bank, ich glaubte zu ersticken. »Ich muss nachdenken«, sagte ich und
ging auf die Hintertür zu. »Und Sie legen sich hin und ruhen sich etwas aus.«
Obwohl Mrs
P aussah, als hätte sie seit Wochen nicht mehr geschlafen, sprang sie auf und
zerrte mich zurück. »Bitte, Master Charles, nicht. Gehen Sie nicht nach
draußen!«
»Ich will
den Korb reinholen«, sagte ich. »Die Wäsche wird nass.«
Aber sie
hörte mir gar nicht zu. »Der Regen«, sagte sie. »Sie holen sich Erkältung.«
»Schon
gut, schon gut...« Ich setzte mich wieder an den Tisch. »Zufrieden?«
»Gut.« Sie
wischte sich die Backen ab und versuchte die Vergnügte zu spielen. »Jetzt ist
alles gut. Hier drin wir sind trocken und sicher. Ich mache Ihnen heiße
Schokolade, und Sie schauen Fernsehen, ja?«
So sehr
ich mich auch mühte, ich konnte sie nicht dazu überreden, sich hinzulegen,
bevor sie mich nicht auf die Chaiselongue verfrachtet hatte - samt einer Tasse
heißer Schokolade, die auf dem Boden stand, wo vorher der Tisch gestanden
hatte. Wie es der Zufall wollte, lief gerade ein Film: The
Killers alias A Man Ahne - die in
Rückblenden häppchenweise enthüllte Ermordung des anständigen Burschen Burt
Lancaster durch die treulose Ava Gardner. Ich legte entspannt den Kopf zurück
und versuchte einzutauchen in die Welt der nackten, dunklen Wohnung, in der Lancaster
rauchend auf seine Mörder wartete. Aber es ging nicht. Ich dachte an die
unmögliche Hypothek und die strapaziöse Unterredung mit dem Bankangestellten.
Alles schien irgendwie auf Frank zu verweisen: dass nach all den Jahren, trotz
all der von Vater hochgezogenen Festungsmauern eine kleine Krebszelle Realität
schließlich doch durchgeschlüpft
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