Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: An Evening of Long Goodbyes
Vom Netzwerk:
verschmierte Gitterfenster verschwommen
etwas gesehen hatte, das mich an Müllberge erinnert hatte.
    »Stimmt,
das ist ungewöhnlich,« sagte MacGillycuddy nickend.
    »Mehr als
ungewöhnlich. Der Kerl ist ein Soziopath. Kennen Sie sich ein bisschen mit
jüdischem Brauchtum aus? Na ja, vielleicht sollten wir das jetzt nicht weiter
vertiefen. Traurige Tatsache ist, dass meine Schwester auf Soziopathen
abfährt, und wenn ich kein Auge auf ihn habe, dann ist er irgendwann weg, mit
dem ganzen Haus und ihr dazu.«
    »Dann
wollen Sie also, dass ich...«
    Ich sagte
ihm, dass er so viel wie möglich über Frank herausfinden solle: Wer er war,
was er tat, was mit meinem Stuhl passiert war. »Im Wesentlichen alles, was ihn
belastet«, sagte ich.
    »Kein
Problem«, sagte MacGillycuddy. »Kinderspiel. Geben Sie mir vierundzwanzig
Stunden.« Ich gab ihm meine Nummer und einen Scheck als Vorschuss und stand
auf.
    »Grüßen
Sie Ihre Mutter von mir«, sagte er zum Abschied zwinkernd. »Schön, dass Sie
wieder da ist.«
    Ich war
versucht, dem auf den Grund zu gehen, doch der Anblick seiner begierig
aneinander reibenden Hände war Warnung genug, keine weitere Büchse der Pandora
zu öffnen. Ich wünschte ihm einen guten Tag und öffnete die Tür.
    »Gruß auch
an die Inkassojungs!«, rief er mir hinterher.
    In
Gedanken versunken ging ich zurück zum Einkaufszentrum. Das Inkassobüro war
also schon eingeschaltet - eine ziemlich unsportliche Geste. Möglicherweise
war die Unterredung doch mehr als nur die erwartete Formalie. Ich atmete tief
durch und trat durch die Türen der Bank.
    Ich kam in
einen langen, fensterlosen Raum, unter dessen niedriger Decke leblos ein
einigermaßen geschmackvoller Ventilator hing. An der linken Wand befand sich
ein lackierter Holzschalter mit angeketteten Stiften, Überweisungsformularen
und Prospekten für Autokredite, Tracker Bonds und unergründliche Kapitalanlagepläne.
Rechts standen ein paar unbequeme Stühle; eine Jalousientür führte in einen
weiteren Raum, wo man Bargeld abheben und Wertgegenstände deponieren konnte.
Nebeneinander an der Wand hingen zwei nicht zu übersehende Bilder. Eins zeigte
eine blässliche Landschaft mit Bäumen, durch die weiches Sonnenlicht fiel. Darunter
stand in großen, ehrlichen Buchstaben Seriosität . Das andere war etwas extravaganter - brav im Wasser
herumtollende Delphine vor einer Tropeninsel, premium-service stand darunter.
    Hinter
einem Schreibtisch vor der Wand am Kopfende des Raumes saß ein Mann in einem
schlecht geschnittenen blauen Jackett und lächelte mich an. Er saß mit
verschränkten Armen genau in der Mitte zwischen seinem Computerbildschirm und
etwas, das wie eine Plastiktopfpflanze aussah. Wahrscheinlich saß er schon den
ganzen Tag so friedlich lächelnd da. Über ihm hing ein Schild mit der
Aufschrift »Information« und einem Pfeil, der nach unten auf seinen Kopf
zeigte.
    »Guten
Tag«, sagte er freundlich, als er sicher war, dass ich die Untersuchung des
Delphinbilds abgeschlossen hatte.
    »Ah,
hallo«, antwortete ich in humorig aufgekratztem Tonfall, als wollte ich
eigentlich ganz woanders hin und hätte nur mal eben hereingeschaut.
    »Wie kann
ich Ihnen behilflich sein?«, erkundigte er sich. Er war ein unscheinbarer
Bursche mit einem gütigen rundlichen Gesicht und einem schmalen Strich als
Mund.
    »Nur eine
Kleinigkeit«, sagte ich aufgeräumt und wedelte mit ein paar rot abgestempelten
Umschlägen. »Nur ein paar letzte Mahnungen, die sicher irrtümlich an uns
gegangen sind.«
    »Ah ja«,
sagte er. »Dürfte ich vielleicht einen Blick...«
    »Gern«,
sagte ich. »Hier.«
    »Aber
setzen Sie sich doch, Mr... ?«
    »Hythloday
- Charles Hythloday«, sagte ich. »Danke.«
    Er schaute
sich ausdruckslos die Briefe an, während ich, passend zu der entspannten, aber
respektvollen Beziehung, die wir inzwischen aufgebaut hatten, etwas flötete und
dabei versuchte ihn mir vorzustellen, wenn er nicht hinter seinem Schreibtisch
saß - gröhlend bei einem Motorbootrennen oder stirnrunzelnd vor einem Glas
Gewürzgurken im Supermarkt. Er rollte mit seinem Stuhl vor den Computer und
begann zu tippen. Er tippte volle drei Minuten. »Oh«, sagte er einmal und
zuckte kurz vor dem Schirm zurück. Ich lehnte mich beiläufig zur Seite, konnte
aber nicht sehen, was er sah. Nervös flötete ich weiter.
    »Nun ja,
Charles«, sagte er schließlich. »Hier steht, dass seit über sechs Monaten keine
Hypothekenzahlungen mehr bei uns eingegangen sind.«
    »Ja,

Weitere Kostenlose Bücher