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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: An Evening of Long Goodbyes
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Charles, läuft das bei einer Hypothek so: Wenn der
Hypothekennehmer stirbt - Mr Ralph Hythloday, das war Ihr Vater, nehme ich an?«
    Ich nickte.
    »Das tut mir Leid«, sagte der
Bankangestellte leise. »Danke«, sagte ich. Es folgte ein Augenblick stummer Andacht.
    »Also«,
fuhr er fort. »Normalerweise werden beim Tod des Hypothekennehmers die
ausstehenden Forderungen gegen die Lebensversicherung des Verstorbenen
aufgerechnet. Aus irgendeinem Grund ist das im Fall Ihres Vaters nicht
geschehen.«
    »Nicht?«
Die Atmosphäre war unerträglich gespannt. Ich warf einen flehenden Blick hinauf
zum Ventilator.
    »Nein ...
Und wenn ich ein bisschen weiter zurückgehe, tja, die Struktur des
Darlehens ist ziemlich ... nun ja, ich habe Vergleichbares noch nie gesehen.
Die Überweisungen laufen höchst unregelmäßig ein. Sie kommen praktisch immer
von einem anderen Ort. Hier...« Er drehte den Schirm zu mir. »Das sind jetzt
nur die letzten vier Jahre. Anstatt uns einfach per Lastschrift die Raten
abbuchen zu lassen, ist das Geld mal von dieser Gesellschaft, dann wieder von
einer anderen überwiesen worden. Dann ein paar Monate gar nichts, und dann
dieser Riesenbatzen von einer Bank, die mir, ehrlich gesagt, vollkommen
unbekannt ist. Können Sie mit einem dieser Namen etwas anfangen?«
    »Kapitalgesellschaften?«,
krächzte ich schwach. Mir war schwindelig, die auf dem Bildschirm auf und ab
tänzelnden Ziffern sagten mir rein gar nichts. Warum ließ er mich nicht
einfach gehen?
    »Keine
Ahnung, wer sich das ausgedacht hat, aber es ist höchst ungewöhnlich«, sagte
er. »Höchst ungewöhnlich.«
    »Und was
soll ich jetzt tun?«, sagte ich wie im Fieber. Ich wollte einfach, dass das ein
Ende hatte. »Sie sagen, ein Darlehen können Sie mir nicht geben und mehr Zeit
auch nicht.«
    Er schaute
mich mit bekümmertem, stoischem Gesichtsausdruck an. »Mir sind die Hände gebunden,
Charles«, sagte er. »Wenn Sie den Steuerberater Ihrer Familie ausfindig machen
könnten, und wenn der aus dem Gebilde hier schlau wird, dann könnten wir
vielleicht eine Lösung finden. Aber so wie es jetzt aussieht, werden die
Forderungen eingezogen werden.«
    »Was
heißt, dass das Haus in den Besitz der Bank übergeht.«
    »Das ist
die übliche Vorgehensweise, ja.« Grübelnd, die Fingerspitzen aneinander
gelegt, saß er da.
    »Ich
verstehe.« Das war's. Ich griff hinter mich, nahm meine Jacke und stand auf.
»Also dann.« Als sei eigentlich nichts von all dem von Bedeutung, verfiel ich
wieder in den aufgeräumten Tonfall vom Anfang.
    »Ja.« Der
Bankangestellte tat es mir gleich. »Und vielen Dank, dass Sie vorbeigeschaut
haben.« Er beugte sich über den Schreibtisch, um mir die Hand zu schütteln.
    »Ich danke Ihnen«, sagte ich, ohne recht zu wissen, warum, und wandte
mich zur Tür.
    »Ach,
Charles?«
    »Ja?«
    »Ich hab
da noch was für Sie.« Er nahm etwas aus einer Schublade und hielt es mir hin.
    »Danke«,
sagte ich und nahm es. Es war ein Schlüsselring. Auf einer Seite des
Plastikanhängers prangte das Logo der Ireland-bank, auf der anderen der Spruch
»Wir sind immer für Sie da«. Der Metallring war vermutlich für die Schlüssel
des Hauses, das mir nicht mehr gehörte.
    »Keine
Ursache«, sagte er herzlich. »Und alles Gute noch.«
    Als ich am
Supermarkt vorbeiging, sah ich Mrs P, die in ein Gespräch mit einer ausländisch
aussehenden Frau vertieft war. Die Frau trug ein Namensschild am Revers und
verkaufte Zeitschriften. »Meine sind in kleinem Zimmer«, sagte sie gerade.
Ȇber Metzgerladen. Wir zahlen und zahlen, und wenn er sagt, oh, oh, Polizei,
großer Ärger, dann zahlen wir mehr...« Ich hielt mir die Hand vors Gesicht und
drückte mich spitz und flach atmend an ihnen vorbei. Was ging hier vor? Was
hatten sie zu bedeuten, diese Unregelmäßigkeiten? Was konnte daran so kompliziert
sein, das man nicht wenigstens anfangen konnte, sie zu entwirren? Mir
jedenfalls erschien die Lage ziemlich klar: Da war Vater, er hatte Vermögen,
und es war jede Menge Geld da, es musste einfach da sein.
    Nach Luft
schnappend lehnte ich mich an eine pseudokorinthische Säule. Bilder aus einem
Albtraum rasten durch meinen Kopf: Horden von roboterhaften Arbeitern in
Blaumännern mit toten Golem-Augen strömten ins Haus, rissen es ab und errichteten
stattdessen ein Luxusapartmenthotel oder einen Entertainmentkomplex oder
legten das achtzehnte Loch für einen quer durch den ganzen Ort führenden
Golfparcours an ... Es gab hier nichts mehr zu tun für

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