Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Skippy stirbt (Teil 3)
Vom Netzwerk:
erfolgt, eine wohlberechnete und wohlüberlegte
Attacke auf die Musik selbst; wenn er nur daran denkt, gerät die Teetasse in
seiner Hand jetzt noch ins Beben. Und dann festzustellen, dass der Missetäter
kein anderer war als Ruprecht Van Doren! Ruprecht, sein Vorzeigeschüler!
Ruprecht, der einzige Junge, der Musik tatsächlich so zu verstehen schien wie er, Pater Laughton, selbst, der ihre
Symmetrie und Fülle als einzigartigen Einschub von Vollkommenheit in unserer
unbeständigen Welt begriff! Also bitte! Da ihm bekannt war, dass der Junge es
in letzter Zeit nicht leicht gehabt hat, hat er sich so lange wie möglich
eines Kommentars enthalten, aber zu guter Letzt - es tut ihm leid, aber er
konnte es nicht mehr ertragen, konnte es schlicht nicht mehr ertragen. Also hat
er Ruprecht ganz höflich gefragt, ob es ihm etwas ausmachen würde, sich an die
Partitur zu halten, so wie Pachelbel sie geschrieben hat.
»Und was hat er
darauf gesagt?«
    »Er hat zu mir gesagt -«, bei der Erinnerung läuft der
Priester scharlachrot an, »- er hat zu mir gesagt, ich kann ihn kreuzweise.«
»Er hat zu
Ihnen gesagt, Sie können ihn
kreuzweise! Das waren exakt seine Worte?«
    »Leider Gottes ja.« Pater Laughton tupft verstimmt an
seiner Stirn herum. »Ich sehe keine Möglichkeit, wie ich - ich kann unmöglich mit jemandem arbeiten, der eine solche Einstellung
an den Tag legt, das kann ich schlicht nicht.«
    »Ja, natürlich, Pater, das verstehe ich voll und ganz«,
pflichtet der Automator ihm bei. »Machen Sie sich kein Kopfzerbrechen deswegen.
Ich nehme das in die Hand.«
    Selbstredend sind dem Automator die Andeutungen im Lehrerzimmer
über den Absturz des einstigen Lieblings nicht entgangen. Bisher hat er sich
jedoch zurückgehalten. Van Dorens voraussichtliches Abschneiden bei den
Staatsprüfungen im kommenden Jahr wird Berechnungen zufolge den
Jahresdurchschnitt um vier Prozent anheben; so jemandem, oder seinem Genie,
muss man schon einen gewissen Spielraum zugestehen.
    Er lässt Ruprecht noch am selben Tag zu sich ins Büro kommen
und ruft ihm bei Tee und Keksen ins Gedächtnis, wie ungemein wichtig die Aufführung
des Quartetts für das Konzert ist. Er geht auf das Konzert selbst ein, dieses
überaus prestigeträchtige und historische Ereignis, das, nicht zu vergessen,
von einem überregionalen Radiosender live übertragen wird. Er versucht es mit
Bestechung, bietet Ruprecht an, sein Zimmer für sich allein behalten zu
dürfen, und dann mit Drohungen, indem er laut über die positive Wirkung
nachsinnt, die es für einen der schwierigeren Schüler, beispielsweise Lionel,
haben könnte, mit einem der hochbegabten, beispielsweise Ruprecht, zusammen zu
hausen. Schließlich verliert er die Geduld und brüllt ihn geschlagene fünf
Minuten lang an, was die gleiche Reaktion zur Folge hat wie sämtliche anderen
Taktiken.
    »Er hat nicht mal das Maul aufgemacht! Sitzt bloß da wie, wie ein dicker, fetter
Pudding -« Der Automator sackt schnaufend und schnaubend über seinem
Schreibtisch zusammen; so ähnlich muss Dr. Jekyll ausgesehen haben, wenn er
sich in sein teuflisches Alter Ego verwandelte.
Howard rückt
seinen Kragen zurecht. »Können sie nicht einfach ohne ihn spielen?«
    »Himmel noch mal, es ist ein Quartett, hat man schon je
von einem Quartett mit nur drei Musikern gehört? Und Van Doren ist der Einzige
von ihnen, der überhaupt so etwas wie Talent hat. Wenn wir die anderen drei als
Trio auf die Bühne schicken, können wir das Publikum besser gleich mit
Saringas vollpumpen! Oder mit einem Holzhammer auf ihre Ohren eindreschen!« Er
tritt den Papierkorb um, dessen Inhalt - beschriebene Blätter und Apfelbutzen -
sich über den Boden verteilt. Augenblicklich huscht Bruder Jonas wie eine
dressierte Spinne aus einer Ecke herbei und beseitigt die Unordnung. »Wir
brauchen Van Doren, Howard. Er steht für das, worum es in dem ganzen Konzert
geht - hohe Qualität, zeitlose Unterhaltung. Und mich -«, blutdürstigen Auges
starrt er durch Bruder Jonas hindurch, der verstreute Heftklammern von dem
faserigen, türkisfarbenen Teppich entfernt, »- mich soll der Teufel holen, wenn
ich mir von so einem kleinen Dickwanst auf der Nase herumtanzen lasse. Nichts
da - wenn er Krieg will, soll er ihn haben.«
    In der folgenden Mittagspause pilgern die drei nicht für
die Namensgebung des Van-Doren-Quartetts verantwortlichen Mitglieder zu
Ruprechts Zimmer. Auf ihr Klopfen erfolgt keine Antwort, und die Tür lässt sich
nur mühsam öffnen;

Weitere Kostenlose Bücher