Murray, Paul
Automator
hinterher. »Und zwar eine sehr sinnvolle, ganz gleich, von welcher Warte aus
man es betrachtet.« Einerseits bietet sich den Jungen so eine Gelegenheit, etwas
für ihren Freund zu tun; andererseits ist damit das Konzert gerettet und erhält
genau das zusätzliche Gewicht, das es definitiv brauchen kann, da Pater
Furlong nun offenbar doch durchkommt; in gewisser Hinsicht können sie sich
direkt glücklich preisen, dass sie Juster sozusagen im Ärmel hatten, nichts
für ungut, die Anwesenden verstehen sicher, wie es gemeint ist. Der Automator
hofft, dass der neue Glanz, in dem das Konzert nun erscheint, die erschlafften
Lebensgeister der Schülerschaft mobilisieren wird. »Gebt ihnen etwas, wofür
sie sich begeistern können. Bringt sie auf andere Gedanken, Schluss mit diesem
dumpfen Brüten.«
Howard hat das Gefühl, dass es weit mehr als ein
Weihnachtskonzert braucht, um die Jungen aus ihrer gegenwärtigen Trübsal zu
reißen; mit Sicherheit hofft er nicht als Einziger, dass dieses Projekt ein zu
großer Brocken für Greg ist. Aber der kommissarische Direktor hat einen Plan.
Am Tag nach der Ankündigung verschanzt er sich in seinem Büro und hängt sich
ans Telefon; tags darauf teilt er bei einer zweiten Sonderversammlung mit, dass
RTE sich bereit erklärt hat, einen Livemitschnitt der Veranstaltung im Radio zu
senden.
»So ein historischer Anlass in der angesehensten Schule
des Landes, wieso sollten sie das nicht übertragen wollen?«, scherzt der
Automator danach, als seine Belegschaft ihm zu dem Coup gratuliert. »Hat
natürlich nicht geschadet, dass da in Montrose ein paar Ehemalige sitzen, die
an der richtigen Stelle Druck gemacht haben.«
Offenbar kennt der Automator die Jungen besser, als Howard
es ihm zugetraut hätte. Die Nachricht von dem Konzert - oder, genauer gesagt,
von der Liveübertragung im Radio - sorgt für ein munteres Palaver in den
Gängen, wie man es seit Monaten nicht mehr gehört hat. Was die Jungen auch
bedrückt haben mag, es ist vergessen, die allgemein in sich gekehrte und
bösartige Stimmung verfliegt so schnell und rätselhaft, wie sie aufgekommen
ist; selbst die Schüler, die nicht direkt an dem Ereignis beteiligt sind - eine
stetig kleiner werdende Anzahl, da der Automator am laufenden Band neue
Aufgaben im Bereich PR (Einladungen eintüten) und Technische Assistenz (den
Boden der Turnhalle fegen) kreiert -, werden von der Aufregung angesteckt.
»Die Flut hebt alle Schiffe empor, Howard«, lautet der beifällige Kommentar
des Automators. »Ein simpler Grundsatz der Volkswirtschaft.« In den Sälen wird
wieder weithin schallend mit diversen Instrumenten geprobt, und wie es
aussieht, wird »die Show«, wie der Automator sie seit Neuestem nennt, für die
Schule nicht nur ihr annus
horribilis doch noch zum Guten wenden, sondern den Feinden des
kommissarischen Direktors auch ein für alle Mal das Maul stopfen.
Und dann, acht Tage, bevor der Vorhang sich heben soll,
steht Pater Connie Laughton, der musikalische Leiter des Konzerts, in Tränen
aufgelöst beim Automator vor der Tür.
Pater Laughton ist ein zartes Männlein, um dessen
Nervenkostüm es nicht zum Besten steht und der jede Form von Disharmonie
verabscheut wie der Teufel das Weihwasser. Er steckt immer zurück, statt sich mit
irgendwem ernsthaft anzulegen; selbst den schlimmsten Störenfried vermag er
nicht aus dem Unterricht zu weisen, ohne es zwanzig Sekunden später zu bereuen
und ihm durch den Flur hinterherzusausen, um ihn zurückzubeordern. Infolgedessen
herrschen in seinen Musikstunden berüchtigt anarchische Zustände - gegen die
wahre Anarchie sich wie ein geruhsamer Tag in der Bibliothek ausnimmt -, und
dennoch sind sie von einer Atmosphäre des guten Willens geprägt, denn der Pater
macht inmitten des Getümmels stets einen zufriedenen Eindruck, summt ein
Larghetto von John Field oder eine Mazurka von Chopin mit, während um ihn herum
Papierflieger, Federmäppchen, Bücher und noch größere Gegenstände durch die
Luft segeln.
Disharmonie jedoch: die erträgt er nicht.
Als langjähriger Leiter musikalischer Veranstaltungen in
Seabrook ist Pater Laughton gegen schlecht spielende Schüler mittlerweile
weitgehend immun. Aber was er an diesem Vormittag bei der Probe des Quartetts
erdulden musste - die grauenhafte Klangfarbe, das Abdriften in die völlige
Atonalität, die Missachtung selbst der rudimentärsten Taktvorgaben -, das war
etwas anderes, das war, wenn er seinen Ohren trauen konnte, mit Vorbedacht
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