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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Skippy stirbt (Teil 3)
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an Heftigkeit zu, ein Klaps wird zum Fausthieb, Tritte gegen das Schienbein
zielen zunehmend Richtung Schritt; beim Pinkeln drückt ihn jedes Mal wer in das
Urinal. Ruprecht macht weiter sein Ding, als wäre nichts los.
    »Bitte, hör auf damit«, fleht Geoff Sproke ihn an.
    »Aufhören, womit?«, fragt Ruprecht teilnahmslos.
    »Sei ... sei einfach wieder du selbst, ja?«
    Ruprecht blinzelt bloß, als wüsste er nicht, was Geoff
meint. Und er ist nicht der Einzige. Der ganze Jahrgang der Achten macht eine
düstere seelische Verwandlung durch, in deren Verlauf jeder Einzelne immer
weniger er selbst ist. Der Notenspiegel bei den Klassenarbeiten fällt in den
Keller, Disziplinlosigkeit greift um sich - die Jungs schwatzen, kehren den
Lehrern den Rücken zu und erklären ihnen, wenn sie sich das verbitten, sie
sollen sich verpissen, sich ins Knie ficken, sie am Arsch lecken. Jeden Tag
sind neue Schandtaten zu verzeichnen. Neville Nelligan, der bisher dem
unauffälligen Mittelfeld zuzuordnen war, fragt Mrs. Ni Riain, ob sie nicht mal
gern an seinem Schwanz nuckeln würde. Kevin Wong putzt Mr. Fletcher in Physik
herunter. Barton Trelawney fischt Odysseas Antopopopolous' Hamster aus seinem
Käfig und quetscht ihn mit bloßen Händen zu Brei. Bushaltestellen werden
verwüstet, Imbissbuden durch an die Wände geschleuderte Behälter mit
Currysauce verunziert. Eine Morgens steht Carl Cullen mitten im
Matheförderunterricht auf und wirft seinen Stuhl geradewegs durch das
Klassenzimmerfenster.
    Eine Zeit lang tut der Automator die zunehmende Verwilderung
als Begleiterscheinung des »Normalisierungsprozesses« ab. Doch bald greift das
Übel auf die ganze Schule über. Als die Seniorrugbymannschaft in der ersten
Runde des Paraclete Cup gegen die traditionellen Prügelknaben von Whitecastle
Wood verliert, gerät der kommissarische Direktor in schwere Bedrängnis. Die Seniormannschaft steht für Seabrook; diese Schmach
scheint zu verdeutlichen, dass der Schule im Kern etwas Essenzielles fehlt.
Unter den Eltern und den höheren Rängen der Ehemaligenverbände wird getuschelt;
die Patres, die die Modernisierungsvorhaben des Automators nicht gutheißen und
schwerwiegende Bedenken allein ob der Vorstellung eines Laien als Direktor
hegen, äußern ihre Zweifel vernehmlicher - insbesondere seit aus dem
Krankenhaus zu hören ist, dass Pater Furlong sich außer Gefahr und auf dem Wege
der Besserung befindet.
    »Des Furlong kommt nicht mehr zurück, das sollen sie sich
mal gleich hinter die Ohren schreiben. Das Herz von dem Mann ist der reinste
Blätterteig, wie stellen die sich das vor, dass er in der Verfassung eine
Schule leiten soll?« Seit ein paar Tagen pulst eine neue Ader auf der Stirn des
Automators. »Aus der Lehrerschaft höre ich Klagen, dass sie ihre Klassen nicht
mehr unter Kontrolle haben, die Eltern jammern mir am Telefon die Ohren voll,
weil ihre Sprösslinge eine Klassenarbeit verhauen haben, der Rugbytrainer
erklärt mir, die Mannschaft hätte keinen Kampfgeist, und alle erwarten Lösungen
von mir, es kommt mir vor - verdammt noch mal, es kommt mir vor, als müsste ich
hier alles allein schultern! Ganz allein!«
    »Tee?« Eine leise Stimme neben ihm lässt Howard zusammenfahren.
Er vergisst immer wieder, dass Bruder Jonas auch da ist, verfügt dieser doch
über ein geradezu unheimliches Talent, völlig im Hintergrund zu bleiben. Trudy
ist krankgeschrieben; ohne ihre weibliche Note wirkt das Büro des
kommissarischen Direktors noch militaristischer als sonst.
    Der Automator mustert Howard mit dem seit Neuestem für ihn
charakteristischen Blick, einschüchternd und flehentlich zugleich. »Ich möchte
Ihre Meinung als Mann vom Fach hören, Howard. Was zum Teufel ist in die Jungs
gefahren?«
    »Ich weiß es nicht, Greg.
    »Herrgott noch mal, jetzt rücken Sie schon mit was raus.
Sie stehen da draußen schließlich jeden Tag Ihren Mann. Sie müssen doch
irgendeine Vorstellung davon haben, was sie so umtreibt.«
    Howard holt tief Luft. »Der einzige Grund, den ich mir denken
könnte, ist Juster. All das hat erst angefangen, nachdem Juster... nach dem,
was passiert ist. Vielleicht ist es so etwas wie eine Reaktion darauf.«
    Der Automator tut diese Vermutung in Bausch und Bogen ab.
»Bei allem schuldigen Respekt, Howard, was zum Kuckuck hat Juster mit der
Seniorrugbymannschaft zu tun? Den hatten sie doch nicht mal als i-Punkt auf dem
Schirm! Warum in Gottes Namen sollte es sie kümmern, was mit ihm passiert
ist?«
    Howard starrt

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