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Murray,Paul

Murray,Paul

Titel: Murray,Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Skippy stirbt (Teil 2)
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Wissenschaft für die jugendlichen Aussteller spürbar von
zweitrangiger Bedeutung: Zwischen den Ständen gehen so unverhüllt lüsterne
Blicke hin und her, dass man sich schon fast ein wenig vergewaltigt fühlt, wenn
man nur zwischen ihnen hindurchgeht.
    Halley macht die Runde, sieht sich die Exponate an und
spricht mit deren atemlosen oder einsilbigen Schöpfern, während ringsum ihre
sichtlich zwangsrekrutierten Genossen mit den hoffnungslosen Mienen von
Gefangenen auf einem Todesmarsch vorbeischlurfen - käsige, knochige Jungen in
tristen Uniformen, herumzappelnd, einander schubsend, unwitzige Witze
erzählend. Als Halley in einiger Entfernung Howards Freund Farley entdeckt,
geht sie zu den Seabrook-Ständen, wo ein Gecko, der sich unerlaubt entfernt
hat, eine Studie über den Wärmehaushalt von Reptilien in Gefahr bringt. Ein paar
Jungen kriechen auf der Suche nach ihm hinter dem Stand herum und legen
Bröckchen von Mars-Riegeln als Köder aus; zwei andere Teammitglieder scheinen
mehr damit beschäftigt, sich vor den Loreto-Mädchen mit dem Windgenerator am
Stand gegenüber cool zu geben. »Ich hab's doch gewusst: Wir hätten einen
Reservegecko mitnehmen sollen.« Farley schüttelt den Kopf. »Der kommt nicht
wieder.«
    »Wie läuft's? Abgesehen von dem Gecko.«
    »Alles bestens. Ich zähle die Tage bis Weihnachten -
macht wahrscheinlich jeder.«
    Sie würde ihn gern nach Howard fragen, um
herauszufinden, was ihn beschäftigt, was sie tun kann, aber sie zögert, und im
nächsten Moment kommen zwei Jungen von einem anderen Seabrook-Stand - der eine
dunkelhäutig und mit zusammengewachsenen Augenbrauen, der andere ein blasser,
verpickelter Rotschopf, beide, wie bei männlichen Jugendlichen häufig, mit
etwas amorphen Zügen, als hätte jemand ihre Gesichter unprofessionell aus einem
Katalog kopiert -, um Farley zu sagen, dass jemand Cola über seinen Laptop verschüttet
hat.
    »Jemand?«, wiederholt Farley.
    »Ist einfach irgendwie passiert«, antwortet der
Rotschopf. »O Gott«, seufzt Farley. »Tut mir leid, Halley.« Er geht mit den
beiden weg.
    Wie seltsam, dass Howard den ganzen Tag mit diesen
Wesen zusammen ist, denkt sie. Schon die paar Augenblicke im Dunstkreis der
Jungen haben an ihrer Energie gezehrt.
    Als sie später ins Auto steigt - einen alten Bluebird,
ein durch Rost zusammengehaltenes Konglomerat von Eigentümlichkeiten, Howards
einzige größere Investition in seinem Leben vor ihr -, tut sie vor sich selbst
so, als mache es ihr nichts aus, wieder nach Hause zu fahren. Sie schaltet das
Radio ein, summt vor sich hin, ohne auf das Geplauder zu achten, und lässt ihre
Gedanken widerstandslos zu den großen Zeiten irrationalen Überschwangs
zurückwandern, als kaum ein Tag verging, ohne dass sie sich für die
Gründungsfeier eines neuen Startup-Unternehmens, einen Börsengang oder sonst
eine glamouröse Sause, wie ihr früherer Verleger es nannte, chic machen
konnte; zurück zu den großen Zeiten des Internetbooms, als alle von der Zukunft
redeten, die man sich als eine Art säkulare, mattschwarze Entrückung
vorstellte, eine Epoche des Zusammenwachsens und der nie endenden
Glückseligkeit, die, wie man am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts weithin
glaubte, unmittelbar bevorstand. Und Halley verbrachte ihre Nächte in einem
kleinen Apartment in der Mulberry Street ...
    Der Hund schießt vor ihr auf die Straße, ein goldener
Fellblitz, der sofort wieder aus ihrem Blickfeld verschwindet. Sie tritt auf
die Bremse, aber der Wagen hat ihn mit einem überraschend dumpfen Geräusch
bereits erfasst. Sie öffnet die Tür und tritt auf die Straße - ihre Straße, mit ihrem Haus, der
Rest des Tages, so wie er hätte sein sollen, nur ein paar Meter entfernt! -,
und im selben Moment geht gegenüber die Haustür auf, und eine Frau kommt über
den Gehweg auf sie zugelaufen.
    »Der war plötzlich da«, stottert Halley, »er ist mir
direkt vors Auto gesprungen ...«
    »Die Gartentür war offen«, sagt die Frau, den Blick auf
den Hund gerichtet. Sie kniet bei ihm nieder und streichelt seinen rosa
getönten Kopf. Er liegt ein Stück vor der Stoßstange auf der Seite; seine
braunen Augen lächeln Halley an, als sie sich bei ihm hinkauert. Blut sickert
unter seinem Kopf hervor auf den Asphalt. »Oh, Polly ...«
    Ein Auto hat hinter Halleys Wagen gehalten. Es kann
nicht vorbei, und der Fahrer steigt aus und kommt heran. »Oh, der Arme ...
haben Sie ihn angefahren?«
    »Sie war plötzlich da«, wiederholt Halley

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