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Murray,Paul

Murray,Paul

Titel: Murray,Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Skippy stirbt (Teil 2)
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musikalisch aktiven Schüler sein
ursprüngliches Konzept zurückfahren. Statt eines kompletten Sinfonieorchesters
wird beim Weihnachtskonzert nur ein Quartett musizieren: Ruprecht, Dennis,
»Jeekers« Prendergast, Bratsche, und Geoff Sproke, Triangel. »Reichlich unkonventionell«, erklärt Pater Laughton, der ewige Optimist. »Schrecklich aufregend.«
    Jeekers' Mitwirkung steigert zwar nicht gerade den
Coolnessfaktor des Quartetts, überrascht aber nicht weiter: Jeekers' Eltern
sind fixiert auf Ruprecht und darauf, ihren Sohn Ruprecht-ähnlicher zu machen.
Es ist - im Kleinen - eine tragische Geschichte: An jeder anderen Schule, in
jeder anderen Klasse wäre der intellektuell begabte, bienenfleißige Jeekers der
unumstrittene King gewesen. Doch durch eine Laune des Schicksals hat es ihn in
dieselbe Klasse verschlagen wie Ruprecht, und hier beherrscht Ruprecht das
Feld, bei jeder Prüfung, jeder Klassenarbeit, jedem Freitagsspaßquiz. Das
treibt Jeekers' Eltern - seine Mutter, eine verklemmte Zwergin, die aussieht,
als würde sie permanent Schwefelsäure durch einen Strohhalm saugen, und seinen
Vater, einen hektischen Anwalt, neben dem Pol Pot wie Lucky Luke gewirkt hätte
- in den Wahnsinn. »Für den zweiten Platz haben wir unseren Sohn nicht
großgezogen!«, kreischen sie. »Was ist los mit dir? Strengst du dich überhaupt
an? Willst du denn gar nicht Versicherungsmathematiker werden?«
    »Doch, doch«, beteuert Jeekers, und dann sitzt er
wieder am Schreibtisch, umgeben von Hausaufgabenplänen, Leistungsgrafiken,
Fischölgehirnnahrung und Vitaminen. Seine außerschulischen Aktivitäten
konzentrieren sich weitgehend darauf, Ruprecht in allem nachzuahmen, zu tun,
was immer Ruprecht tut, ob im Quartett oder im Schachclub, weil er
herauszufinden hofft, was ihm diese Überlegenheit verleiht.
    Die Musikauswahl für den Auftritt obliegt Ruprecht, und
er hat sich für Pachelbels Kanon in D-Dur entschieden. Das Stück, so erklärt er
Jeekers, werde von Professor Tamashi bei seinen Sendungen ins All bevorzugt
ausgestrahlt.
    »Der Song ist wirklich schön«, sagt Geoff. Dann legt
sich seine Stirn in Falten. »Obwohl, an irgendwas erinnert er mich.«
    »Aber, äh«, fühlt Jeekers sich bemüßigt zu betonen,
»wir strahlen nichts ins All aus. Wir spielen nur vor unseren Eltern.«
    »Schon«, gibt Ruprecht blinzelnd zurück, »aber man weiß
nie, wer alles mithört.«
    »Das ist die Hölle«, flüstert Dennis vor sich hin.
    »Was läuft mit dem Mädel, Skip?«, fragt Geoff, als sie
nach der Pause wieder ins Klassenzimmer gehen. »Hat sie schon zurückgeschrieben?«
    »Noch nicht.«
    »Hm.« Geoff streicht sich übers Kinn. »Na ja, ist ja
erst ein paar Tage her.«
    Ein paar endlose Tage. Skippy weiß, dass sie noch lebt:
Gestern früh hat er sie durchs Fernrohr gesehen, als sie einem silbernen Saab
entstieg und die Stufen zum Tor von St. Brigid's hinauftänzelte. Aber vielleicht
hat sie ihr Handy verloren? Vielleicht hat sie kein Guthaben mehr drauf?
Vielleicht hat sie die SMS gar nicht bekommen? Die Vielleichts umgeben sie wie
ein Nebel, wie Ruprechts Theorie, die nichts erklärt, sondern nur ein
Fragezeichen über alles hängt, was sie berührt. Und Skippys Handy ruht stumm
und selbstzufrieden in seiner Tasche, wie jemand, der ein Geheimnis hat und es
nicht preisgeben will.
    »Vielleicht solltest du ihr noch ein Haiku schicken«,
schlägt Niall vor.
    »Noch eine SMS, und du kannst dir genauso gut ein
großes L für Loser auf die Stirn malen«, meint Mario. »Im Moment heißt deine
Strategie abwarten und Ruhe bewahren.«
    »Tja«, stimmt Skippy bedrückt zu, doch dann fragt er:
»Bist du sicher, dass du mir die richtige Nummer gegeben hast?«
    »Klar bin ich sicher. Bei so was mach ich keine
Fehler.«
    »Ich meine, bist du sicher, dass es ihre Nummer ist?«
    Mario schnalzt mit der Zunge. »Es ist ihre Nummer. Schau selber nach, wenn du's nicht glaubst.«
    »Nachschauen?« Das kommt Skippy komisch vor. »Was
meinst du mit selber nachschauen?«
    »In der Toilette«, antwortet Mario unbekümmert. »Von
Ed's Doughnut House.«
    Skippy bleibt wie angewurzelt stehen. »Du hast ihre
Nummer aus einer Toilette?«
    »Ja, sie steht an der Tür von der mittleren Kabine.«
Skippy ist so perplex, dass es ihm die Sprache verschlägt. »Ach, du Scheiße,
Mario«, sagt Geoff, »an einer Toilettentür...?«
    »Na, und? Da schreibt doch niemand eine falsche Nummer
dran. Wir können ja hin und nachschauen, wenn ihr wollt, in der mittleren
Kabine

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