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Murray,Paul

Murray,Paul

Titel: Murray,Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Skippy stirbt (Teil 2)
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deren Zeuge geworden ist, kann nicht viel dagegen sagen.
Noch schwerer lässt sich allerdings sagen, weshalb Gott ihm gerade diese
Begabung verliehen haben sollte. Aber seltsame Talente gibt es in der
Bruderschaft der Vierzehnjährigen ja im Überfluss. Neben Trevor Hickey, dem
»Diablos-King« sind da Leute wie Rory »Nadel« Moran, der sich einmal achtundfünfzig
Nadeln in die Haut seiner linken Hand hat stechen lassen; GP O'Sullivan, der
mindestens so gut wie der Typ in Police Academy Geräusche nachahmen kann: das Öffnen einer Getränkedose, den Piepton
eines Handys, eine pneumatische Tür etc.; der extrem gelenkige Henry Lafayette,
berühmt dafür, dass er sich aus einer Kiste voller Suspensorien befreit hat,
in die Lionel ihn eingesperrt hatte. Diese Fähigkeiten stehen bei den
Altersgenossen ebenso hoch im Kurs wie die konventionelleren sportlichen Leistungen
und auch jede physische Kuriosität wie Ohrenwackeln (Mitchell Gogan), eine
abnorm hohe Schleimproduktion (Hector »Hectoplasma« O'Looney), auffallende
Hässlichkeit (Damien Lawlor) oder unerklärlich schmieriges grünliches Haar
(Vince Bailey). Ruhm ist bei den Achtklässlern in erstaunlich breiter Vielfalt
zu finden; es gibt kaum einen unter den über zweihundert Jungen, der nicht für
irgendeine Fähigkeit, Eigenheit oder körperliche Besonderheit gefeiert wird.
    Doch wie es an diesem Punkt in ihrem Leben mit so
vielen Dingen geht, ändert sich das von einem Tag zum anderen. Schuld daran mag
auch die Schule sein mit ihrer ewigen Betonung von Konformität, Karriere und
Zukunft, aber der Schlüssel zum Verständnis veränderter Einstellungen sind
zweifellos die Mädchen. Bis vor Kurzem hat es kaum eine Rolle gespielt, was die
Mädchen denken, jetzt aber - fast über Nacht - ist es von höchster Wichtigkeit;
und Mädchen haben ganz andere, manche würden sogar sagen, zutiefst konservative
Kriterien in Bezug auf das, was eine Begabung ausmacht. Sie interessieren sich
nicht dafür, wie viele Golfbälle man in den Mund kriegt, eine dritte Brustwarze
lässt sie kalt, Meisterschaft im Diablo ist für sie, jedenfalls für die meisten
von ihnen, nichts, worauf man stolz sein kann, nicht einmal, wenn man ihnen
erklärt, wie gefährlich es ist, nicht einmal, wenn man sich erbietet, es ihnen
beizubringen, ein Angebot, dass man keinem seiner Klassenkameraden je gemacht
hat, und die würden für das Beherrschen dieser Kunst - man könnte es sogar eine
Geheimlehre nennen - eine Stange Geld hinlegen.
    Wenn der Schwerlaster Pubertät Fahrt aufnimmt,
verwandeln sich Marotten, Kuriositäten und Eigentümlichkeiten aus Ehrenzeichen
in Ärgernisse, die man tunlichst verbirgt, und dieselbe Realpolitik, die manche
Jungen veranlasst, sich von lang gehegten Träumen - etwa, ein Ninja zu werden -
zugunsten eines eher gezielten Interesses für das Hier und Jetzt zu
verabschieden, zwingt andere, die einst wie Götter verehrt wurden, sich als
Otto Normalverbraucher neu zu erfinden. Rory Moran wird seine Nadeln
wegpacken, Vince Bailey wird ein Mittel finden, das seine Haare entgrünt, und
wie viele von denen, die Trevor Hickey jetzt beklatschen, während er sich
verbeugt (»Ich danke euch. Ich danke euch.«), werden in fünf Jahren, wenn es
dem Schulabschluss entgegengeht, noch wissen, dass er einmal der »Duke« war?
     
    »Hey!, Blowjob, du fetter Spast.« Dennis geht auf
Ruprecht los, der blinzelnd aus seinem Kellergeschoss auftaucht. »Diesmal bist
du zu weit gegangen, du Drecksack!«
    »Wieso?« Ruprecht ist perplex.
    »Hast du Pater Laughton erzählt, dass ich Fagott
spiele?« Dennis' Fagott, ein Geschenk seiner Stiefmutter, ist ein streng
gehütetes Geheimnis und lagert dauerhaft unter seinem Bett.
    »Ach, das.« sagt Ruprecht.
    »Jetzt soll ich mit dir Idiot bei dem
Scheißweihnachtskonzert spielen.«
    »Genau!« Ruprechts pausbäckiges Gesicht leuchtet auf. »Wär doch lustig.«
    »Lieber hack ich mir die Hände ab, als dass ich mich
mit dir und deinem Schwulenorchester auf eine Bühne stelle!« brüllt Dennis.
»Hast du gehört? Ich hack mir die Hände ab!«
    Doch dafür ist es bereits zu spät. Seine Stiefmutter
hat über ihr ausgedehntes Netzwerk von Glaubensgenossen Wind von seiner
Mitwirkung bekommen und lässt nicht locker. »Die Musik hat eine wunderbare
Heilkraft«, sagt sie an jenem Morgen zu ihm und fügt traurig hinzu: »Du bist
ein so zorniger Junge.«
    Andere waren cleverer, und der Pater musste angesichts
eines massenhaften Schwunds in den Reihen der

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