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Murray,Paul

Murray,Paul

Titel: Murray,Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Skippy stirbt (Teil 2)
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Hinter ihm haben sich Dennis, Geoff, Ruprecht und Mario
wie die Bremer Stadtmusikanten in der Tür aufgebaut und betrachten ihn ernst.
    »Was ist?«, fragt er.
    »Alles okay mit dir, Skip?«
    »Mir geht's gut.«
    »War da viel drin?«
    »Ist nicht wichtig.«
    »Und was machst du jetzt?«
    »Was meint ihr?«
    Pause, Blicke von einem zum anderen, dann Ruprecht:
»Skippy, ich denke mal, die Sache mit deinem Spind war möglicherweise kein
Unfall.«
    »Du darfst nicht zu Lori nach Hause gehen, Skip!«,
bricht es aus Geoff heraus. »Carl bringt dich um.«
    »Ich gehe.« Skippy bleibt beinhart. »Carl wird mich
nicht aufhalten.«
    »Ah, also, Skip, und wenn er dich doch aufhält?«
    »Er kann's ja versuchen«, sagt Skippy bockig. »Was soll das denn heißen?«
    »Vielleicht sollte mal endlich wer ihn aufhalten.« Die Erkenntnis kommt ihm erst, als die Worte heraus sind,
doch im selben Moment weiß er, dass er sie genauso gemeint hat.
    »Was redest du da? Du hast doch null Chancen gegen
ihn!«
    »Auf die Art bist du das Mädchen los und wirst platt gemacht.«
    »Und in drei Tagen hast du einen Wettkampf!«, fällt
Geoff ein. »Skippy, wie willst du da mitmachen, wenn der Kerl dich plattmacht?«
    »Skippy?«
     
    Unten verpestet der beißende Qualm, den das billige
Holz des Spindes beim Verbrennen erzeugt hat, noch immer die Luft, und aus der
Menge, die zurück in die Klassenzimmer strömt, drehen sich Köpfe unter Gekicher
zu Skippy um. Er ignoriert sie, durchstreift den Gang von links nach rechts,
bis er da, auf der Schwelle zum Raum für technisches Zeichnen, ihn entdeckt:
den einzigen Menschen aus Skippys Bekanntschaft, dessen Rücken zornig aussieht ... Sein Herz dröhnt ihm in den Ohren wie eine
Kesselpauke, mit einer Wucht, die von außen zu kommen scheint; er durchschreitet
den Luftkorridor, der sie beide verbindet, streckt die Hand aus und tippt Carl
auf die Schulter.
    Ringsum sie erstarrt der Flur. Carl dreht sich langsam
um, seine leeren, geröteten Augen heften sich auf Skippy. Sie lassen nicht
erkennen, dass er weiß, wer er ist; sie lassen gar nichts erkennen. Als starre
man in einen Abgrund, einen unendlichen, gleichgültigen Abgrund ...
    Skippy schluckt, dann geht er abrupt zum Angriff über.
»Du hast meinen Spind angezündet!«
    Carls Gesichtsausdruck bleibt unverändert; als er
endlich antwortet, klingt jedes Wort wie ein totes Gewicht, das mit Ketten und
Flaschenzügen vom Boden unter seinen Fußsohlen heraufgehievt werden muss.
»Und, was hast du vor?«
    Um Entschuldigung bitten! Leine ziehen! Ihm dafür
danken, dass er ganze Arbeit geleistet hat! »Nach der Schule«, sagt Skippy und
betet nur, dass seine Stimme nicht bricht. »Hinter dem Schwimmbecken. Du und
ich.«
    In der sie umringenden Menge erhebt sich dumpfes Gemurmel.
Carl braucht einen Moment, um zu reagieren; dann klappt sein Unterkiefer
langsam herunter, und eine bleischwere Abfolge von Lachsalven kommt heraus. Ha!
Ha! Ha! Ha! Das hohle Gelächter eines Roboters, der nicht weiß, was an der
Sache komisch sein soll. Er legt Skippy sacht die Hand auf die Schulter und
flüstert ihm ins Ohr: »Du Wanze, ich zerquetsch dich.«
    Binnen Minuten weiß es die ganze Schule; selbst wenn er
wollte, es gibt keinen Ausweg mehr. Die meisten reagieren schlicht verblüfft.
    »Du willst dich mit Carl schlagen?«
    Skippy nickt.
    »Du, echt?«
    Skippy nickt erneut.
    »Der macht doch Hackfleisch aus dir«, sagt Titch oder
Vince Bailey oder sonst wer.
    Skippy bringt mit knapper Not ein Achselzucken
zustande.
    »Na dann viel Glück«, sagen sie und verziehen sich.
    Den ganzen Unterricht hindurch schnellen immer wieder
Gesichter zu Skippy herum und nehmen ihn unter die Lupe, als säße da eine drei
Meter lange Eidechse an seinem Pult; und der Tag, der sich so quälend langsam
dahingeschleppt hat, gewinnt rasend schnell an Tempo, wie wenn die Zeit selbst
danach hechelte, endlich den Kampf zu sehen. Skippy versucht sich auf den
Lehrstoff zu konzentrieren, und sei es nur, um die Dinge in die Länge zu
ziehen. Aber es ist, als wüssten die Wörter, dass sie nicht für ihn bestimmt
sind, sie rauschen an ihm vorbei. So muss es sein, wenn man tot ist und die
Lebenden heimsucht, denkt er. Alles ist wie aus Glas, zu glatt, um sich daran
festzuhalten, sodass du glaubst, du fällst, obwohl du still dastehst.
     
    Zwei Minuten nach dem Läuten zum Schulschluss finden
sich die ersten Jungs bei dem kleinen Kiesplatz hinter dem Anbau ein. Auf der
einen Seite von der Schwimmhalle,

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