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Murray,Paul

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Titel: Murray,Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Skippy stirbt (Teil 2)
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die es noch keine
Erklärung gibt. Es ist ein unkonventioneller Ansatz, ich weiß. Aber wie
Professor Tamashi sagt: Wissenschaft ist der Bereich des bisher für unmöglich
Gehaltenen!«
    »Aber was ist, wenn die Nonnen euch erwischen?«
    »Das Risiko müssen wir eingehen«, sagt Ruprecht.
    »Der Kondor fliegt morgen Abend, Skip«, sagt Dennis.
»In unserem Team ist noch ein Platz frei.«
    »Tja, selbst wenn ich wollte, könnte ich morgen nicht«,
sagt Skippy. »Da gehe ich doch zu Lori.«
     
    Zu anderen Zeiten wäre Skippy vielleicht eifersüchtig
auf Dennis und seine neue Zentralrolle in Ruprechts Leben geworden; doch abends
im Bett denkt er nur an morgen - nicht an Dennis, nicht an Carl, nicht an die
Pillen oder den Schwimmwettkampf oder an Operation Kondor: nur an morgen, sonst
nichts. Wie soll er vor lauter Aufregung je Schlaf finden, aber er muss, weil
es in Nullkommanichts sechs Uhr ist und er dann piiuuh! in frisches Chlorwasser hechtet.
    Die Glücklichen, die den Schnitt geschafft haben,
dürfen die ganze Woche lang jeden Morgen eine halbe Stunde zusätzlich vor den
anderen trainieren; der Himmel über dem Plexiglasdach ist noch pechschwarz, es
könnte genauso gut Mitternacht sein. Der Trainer steht rhythmisch klatschend am
Beckenrand, und sie zischen hin und her, hin und her, endlos über die immer
gleiche kurze Distanz. Brust, Rücken, Schmetterling, Kraul: Skippys Arme und
Beine vollführen die Bewegungen automatisch, er selbst treibt wie ein Beifahrer
irgendwo inmitten seines Körpers. Durch die Gischt blitzen hier und da Garret
Dennehy und Siddhartha Niland in den beiden Nachbarbahnen auf, wie bruchstückhafte
Spiegelungen, andere Skippys in anderen Welten.
    Während die Nächsten sich abbrausen, schart sich das
Team, die Arme um die aalglatten, kalten Leiber geschlungen, vor den Duschen
zusammen und lauscht mit ernsthaft-erwachsener Miene dem Trainer. Nur noch
drei Tage, dann ist es so weit!!! Er informiert sie über die Abfahrtzeiten und
teilt ihnen ihre Reisegefährten zu. »Daniel, du schläfst wieder mit Antony
zusammen ...«
    »Ha, ha, dumm gelaufen, Juster!«
    »Nimm ordentlich Oropax mit!« Antony »Air Raid« Taylor,
der schlimmste Schnarcher der ganzen Schule, über den man morgens einen Eimer
Wasser auskippen muss, damit er aufwacht.
    »Okay, ab unter die Dusche. Und denkt dran, die
nächsten Tage gebt ihr gefälligst höllisch auf euch acht. Keine dummen Faxen.
Wehe, die ganze Mühe war umsonst, weil jemand sich beim Ringen einen Muskel
gezerrt hat oder auf einen Nagel getreten ist.«
    Auf einen Nagel, auf eine Scherbe, in Säure, in glühende
Kohlen, oder man geht unter einem Gerüst durch und kriegt einen Stahlträger
auf den Kopf oder verbrennt bei einem Feuer oder wird von Terroristen entführt?
Was kann nicht alles passieren, wenn man erst mal anfangt, darüber
nachzudenken! Aber Skippy denkt nicht darüber nach, in seinem Hirn ist nur
Platz für lori
lori lori lori ! Er kann an
nichts anderes denken, ob beim Schwimmen, beim Frühstück, in Deutsch, Religion,
Kunst, der Gedanke an sie lässt alles himmlisch unwirklich erscheinen, wie in
den letzten Schultagen, wenn man sich am Juni entlanghangelt und der Sommer,
obwohl der Unterricht noch läuft, überall einsickert wie verschütteter
Orangensaft durch die Seiten eines Schönschreibhefts, Sommer, das ist stärker
als Schule, Lori, das ist wie ein Mädchen-Sommer ...
    In Englisch nehmen sie gerade ein Gedicht durch, »Der
nicht genommene Weg«, von einem Typen namens Robert Frost, der durch den Wald
läuft, und bei der Lektüre gerät Mr. Slattery unerklärlicherweise in Wallung.
    »Ein Leben, versteht ihr - ein Leben, will Frost sagen,
ist etwas, wofür man sich entscheiden muss, wie für einen Pfad durch einen Wald. Heikel wird es für uns
dadurch, dass wir in einer Zeit leben, die uns eine Unmenge an
Wahlmöglichkeiten offen lässt, ein Labyrinth mehr oder weniger ausgetretener
Pfade. Doch bei genauerem Hinsehen stellt sich heraus, dass viele davon nur
Varianten ein und derselben Sache sind, beispielsweise irgendwelche Produkte
zu kaufen oder an vorgefertigte Geschichten zu glauben, an eine Religion, ein
Land, eine Fußballmannschaft, einen Krieg. Der Gedanke, selbst eine Wahl zu
treffen, sprich, nicht blind irgendetwas zu glauben oder zu konsumieren, wird
so wenig angenommen wie eh und je ....«
    »Hey! Skip!«, zischt Mario und knufft Skippy über Geoff
hinweg in den Arm. »Hast du schon ein Geschenk für deine Lady?«
    »Ich muss

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