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Murray,Paul

Murray,Paul

Titel: Murray,Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Skippy stirbt (Teil 2)
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dreht sich um hundertachtzig Grad zu der Tür gegenüber, »der
Verschlossene Raum sein muss.« Seine Stimme ist zittrig, er kommt nicht dagegen
an.
    Sie
probieren es, aber die Tür ist natürlich abgesperrt. Ruprecht stellt seine Ausrüstung
ab, zückt den Sesam-Öffne-Dich!-Dietrich und führt ihn in das Schlüsselloch
ein. Nach einigem Geruckel versucht er es erneut mit der Tür. Sie gibt immer
noch nicht nach. »Hmm«, sagt Ruprecht und fährt sich übers Kinn.
    »Was ist
los?«, fragt Mario. Dieser Flur gefällt ihm ganz und gar nicht. Von irgendwo
dringen undefinierbare Maschinengeräusche zu ihnen, und seine Füße umweht eine
geradezu abartig kalte Zugluft. Ohne ihn eines Wortes zu würdigen, überprüft
Ruprecht die Zahnung des Schlüssels und steckt ihn erneut in das Schloss.
    »Was ist
los?«, fragt Mario noch einmal und hüpft von einem Fuß auf den anderen.
    »Mit dem
Ding hier soll man angeblich jedes normale Schloss öffnen können«, sagt
Ruprecht und werkelt weiter.
    »Es
funktioniert nicht?«
    »Sieht so
aus, als wollte es nicht einrasten ...«
    »Dann
probier was anderes! Wir haben nicht ewig Zeit!«
    »Es hat
aber doch eine Garantie.«
    »Nimm
einfach die Bohrmaschine, und das war's.«
    »Die macht
aber Krach.«
    »Mit der
Bohrmaschine dauert es genau zwei Sekunden.«
    » Schon gut, schon gut -«
Erwartungsvoller Blick von Ruprecht zu Mario.
    »Was
ist?«, fragt Mario. »Na, dann gib sie mir eben.«
    »Ich
dachte, du hättest sie.«
    »Wieso
ich?«
    »Weil, ich
hab sie nicht...« Die Erkenntnis überfällt sie gleichzeitig; Marios Schultern
sacken ein. »Du hast doch gesagt, du hättest alles durchgeplant.«
    »Hab ich
auch«, sagt Ruprecht zerknirscht. »Aber da wusste ich doch noch nicht, wie es
ablaufen würde.«
    Und da
hören sie die Stimme. Von der Tonhöhe her eindeutig die einer Frau, aber alle
weibliche Weichheit in ihr ist schon lange verdorrt, verdrängt von einer
schauerlichen Düsternis und begleitet von etwas, das stark nach dem
Schnippschnapp einer Geisterschere klingt ... Einen Augenblick lang bleiben
sie wie erstarrt stehen, dann würgt Ruprecht hervor: »Lauf.« Das lässt sich
Mario nicht zwei Mal sagen. Im Nu hat er sich die Tasche vom Boden geschnappt
und will durch den Flur flüchten, als sich eine Hand um seinen Arm schließt -
    »Was tust du denn da?«, zischt Ruprecht.
    Mario
starrt ihn an, vor Angst schier außer sich. »Ich laufe weg.«
    »Aber das
kommt doch von da vorn.« Ruprecht blinzelt ihn an.
    »Tut es
nicht, es kommt von da hinten ...«
    Sie halten
inne, sind nahe daran, sich aneinander festzuklammern, und spitzen die Ohren.
Das grässlich heisere, trockene Krächzen kommt unerbittlich näher - und ertönt
anscheinend, ob es nun an irgendeiner Besonderheit des Gebäudes liegt, der
verwendeten Steinsorte im Mauerwerk vielleicht, oder an der merkwürdigen Krümmung
des Flurs, aus beiden
Richtungen zugleich. Die Jungen bringen nur hilfloses
Gestammel heraus. Mit jeder Sekunde wird es bedrohlich kälter, das fahle Licht
schwindet; die furchtbare Stimme rezitiert ihre Botschaft, leblos und auf Latein,
wieder und wieder, als sei sie verdammt dazu, sie zu wiederholen, verdammt in
alle Ewigkeit, eine Verdammnis, der auch sie beide jede Sekunde anheimfallen
werden, wenn die Besitzerin der Stimme um die Ecke da oder um die andere dort
kommt. Oder womöglich sogar um beide Ecken, und sie zitternd vor sich stehen
sieht -
    Und dann
greift eine Hand - wessen Hand, weiß nachher keiner der zwei mehr, aber eine
Hand in höchster Verzweiflung - nach der Tür, und diesmal, o Wunder, gibt sie
nach. Ohne groß zu überlegen, flitzen sie hinein und ducken sich dahinter, die
Ohren ans Holz gepresst, und die Stimme draußen, nun untermalt von einem
hässlichen, schleifenden Geräusch, zieht direkt an ihnen vorbei, keine zehn
Zentimeter entfernt (unwillkürlich überläuft sie ein Schaudern) ... und
verliert sich dann, oder verebbt vielmehr, oder, um genau zu sein, löst sich in
Nichts auf...
    Sobald sie
fort ist, fühlen sie sich wärmer, tapferer; richten sich auf, klopfen sich den
Staub ab, spotten ob der Vorstellung, dass einer von ihnen auch nur eine
Sekunde angenommen haben soll, das da draußen sei die Geisternonne gewesen:
»Ich glaub nicht die Bohne an die blöde Geisternonne.«
    »Nee, ich
auch nicht.«
    Der Geruch
ist es, der sie in ihre Umgebung zurückholt, als tippte ihnen ein Finger sacht
auf die Schulter. Machtvoll und fremdartig und gesättigt erfüllt er die Luft,
so

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