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Murray,Paul

Murray,Paul

Titel: Murray,Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Skippy stirbt (Teil 2)
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zutiefst.
    Falls es Ruprecht ähnlich geht, lässt er es sich nicht
anmerken; er latscht wortlos dahin, fünf oder sechs Schritte vor Mario, begleitet
vom sachten Scheppern des Kastens in der Tasche, die er sich umgehängt hat.
Dann hören sie weiter vorn Schritte, und Ruprecht zerrt Mario in ein leeres
Klassenzimmer, just als zwei grau gewandete Nonnen um die Ecke biegen. In der
hintersten Reihe kauern sie sich unter die Pulte, schweißgebadet; Marios
Atemzüge kommen schwer und stoßartig -
    »Mach nicht solchen Lärm!«, zischt Ruprecht ihm zu.
    »Ich kann's nicht ändern!«, bedeutet Mario ihm. »Diese
Nonnen sind für mich der Albtraum ...«
    Die Nonnen sind unmittelbar vor der Tür stehen
geblieben.
    Sie unterhalten sich über einen brasilianischen
Priester, der im Frühjahr zu Besuch kommen will. Die eine Nonne schlägt vor,
mit ihm nach Knock zu fahren. Die andere ist für Ballinspittle. Es entspinnt
sich ein höflicher Schlagabtausch über die jeweiligen Vorzüge der Erscheinungen
Unserer Lieben Frau an den beiden Orten, die eine ist anerkannter, die andere
jüngeren Datums, und dann - »Hast du auch etwas gehört?«
    Unter seinem Pult starrt Mario entsetzt auf sein Handy,
das soeben zwei laute, selbstgefällige Piepstöne ausgestoßen hat und nun zwei
weitere von sich gibt. In heller Panik drückt er an den Knöpfen herum, versucht
das Ding zum Schweigen zu bringen -
    »Ob das Mäuse sind?«, fragt eine der Nonnen im Flur.
    »Komische Mäuse«, sagt die andere, in schärferem Ton.
    »Gleich fängt Coronation Street an.«
    »Ich schau nur mal kurz nach -«
    Das Licht geht an: Die Augen der Nonne gleiten prüfend
über die leeren Schreibflächen der Pulte. Die Jungen halten den Atem an,
spannen jeden Muskel an, sind sich qualvoll des Miefs aus Schweiß und Hormonen
und anderen Ausdünstungen bewusst, der aus jeder Pore dringt, warten nur
darauf, dass ein Nasenflügel ihn zuckend wahrnimmt -
    »Hmmmpf.« Das Licht geht wieder aus, die Tür schließt
sich. »Das klang mir aber nicht nach einer Maus.«
    »Nein?«
    »Klang mehr wie eine Ratte.«
    »Ach du liebe Güte, nein ...«
    Die Stimmen verklingen. Mario reißt sich seine
Sturmhaube vom Kopf und saugt ganze Lungen voll Luft ein. »Diese Nonnen«,
keucht er, »in Italien sind die überall, überall!«
    Bis er sich so weit beruhigt hat, dass er wieder
weiterkann, sieht es mit dem Zeitfenster, das ihnen noch bleibt, allmählich
reichlich knapp aus. Das Abendessen ist um acht vorbei, und die Schülerinnen
begeben sich von dort zwar in den Studiersaal, aber die Nonnen, vor denen Mario
eine geradezu krankhafte Furcht zu haben scheint, was Ruprechts Ansicht nach
unbedingt vor dem Eindringen in die Klosterschule hätte zur Sprache
kommen sollen, dürfen und werden sich frei tummeln.
    Sie machen, dass sie aus dem Klassenzimmer kommen, und
hasten weiter in die Richtung, die die Karte ihnen weist. Ihre Nerven sind
nunmehr bis zum Zerreißen angespannt, und die geradezu unheimliche Vertrautheit ihrer Umgebung bringt sie paradoxerweise durcheinander,
führt sie mehrmals auf Irrwege - »Das da hinten war der Chemieraum, dann geht's
zur Turnhalle hier lang!«
    »Nein, weil der Chemieraum rechts war, beim Medienraum.«
    »Nein, war er nicht.«
    »Doch, war er, glaub mir, hier geht's lang - oh.«
    »Ah, das ist also die Turnhalle, ja? Das ist die
Turnhalle, täuschend echt als zweiter, identischer Medienraum verkleidet? Wo
sie Badminton mit den Fernsehern spielen und Hockey mit den Videorekordern?
Wow, die müssen ja Bärenkräfte haben, die Mädels, wenn sie so schweres Gerät
hernehmen anstatt Bälle -« Allmählich kommt es ihnen vor, als führe die Schule
selbst sie in die Irre, in feindseliger Reaktion auf ihre Anwesenheit hier -
entweder das, oder die Flure sind schlicht nicht geradlinig miteinander
verbunden, entsprechen nicht dem Verlauf auf der Karte, sondern gehorchen
irgendeinem verschlungenen, tief verwurzelten weiblichen Prinzip, dem Einfluss
des Grabhügels vielleicht ...
    Und dann, eher zufällig, finden sie sich in einem
erkennbar älteren Teil der Schule wieder, mit bröckligem Mauerwerk und Löchern
in den Wandvertäfelungen; selbst das Licht wirkt hier fahler, grauer. Sie eilen
an maroden Räumen vorbei, die offenbar als Stuhllager dienen, und stehen
schließlich vor einer großen, zweiflügeligen Holztür. Ganz behutsam dreht
Ruprecht den Türknopf und späht hinein. Sprossenleitern und Minifußballtore:
die Turnhalle. »Was heißt, dass das hier«, er

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