Murray,Paul
all die
Namen auf der Drogenliste rufen bei dem Jungen keinerlei Reaktion hervor.
Dennoch spürt Pater Foley genau, dass da etwas im Busch ist. Aber was?
Er setzt
sich wieder an seinen Schreibtisch, blickt suchend durch den Raum und bleibt
bei einem gerahmten Foto aus seiner Missionarszeit hängen - er selbst in
jüngeren Jahren auf einer Flugzeugpiste in der Wüste, furchtlos, blonde Locken,
im Arm einen Schwarzen, dessen Name ihm nicht mehr einfällt. Das Flugzeug im
Hintergrund hat Pater Foley damals tatsächlich geflogen, der Pilot hat ihm den
Steuerknüppel überlassen, als sie mit ihrer kostbaren Bibelfracht an Bord über
die Berge schwebten. Er lächelt seinem gut aussehenden Abbild liebevoll zu,
dann wandert sein Blick von dem Foto zu den Wattestäbchen daneben, und ihm
vergeht das Lächeln angesichts der unangenehmen Erinnerungen an die vergangenen
zwei Wochen, die ihn dabei überkommen: kleine asiatische Krankenschwestern, die
an ihm herumpieken und -stochern und dabei miteinander irgendein Kauderwelsch
reden - piek, piek! Glauben die etwa, Ohr wäre gleich Ohr? Können sie nicht
zur Kenntnis nehmen, dass manche Gehörgänge sehr viel komplizierter gebaut sind
als andere?
Doch dann
sticht ihm wieder das Flugzeug ins Auge. Fliegen. Diese Sache mit dem
Frisbeespielen, mutterseelenallein. Beim ersten Lesen hat der Bericht darüber
Pater Foley einen üblen Nachgeschmack bereitet; jetzt glaubt er zu wissen,
warum. Er räuspert sich unbeholfen: »Sag mal, Daniel ... hat sich in letzter
Zeit ... bei dir irgendetwas zu regen begonnen?«
Nach
kurzem Überlegen kommen die Lippen des Jungen in Bewegung. Hat er Gedanken
gesagt? Es klang, als hätte er etwas von Gedanken gesagt. Gut, gut. Ein
Puzzleteil fügt sich zum anderen. Der abhandengekommene Ehrgeiz, der stiere
Blick, das schwer gestörte Sozialverhalten, das ständige Zucken - hier hat
wieder einmal die Pubertät zugeschlagen.
»Daniel«,
setzt er an, »du bist jetzt in dem Lebensabschnitt, in dem du die Kindereien
hinter dir lässt und zum Mann wirst. Das kann eine durchaus verstörende
Erfahrung sein, bei all dem, was sich körperlich an dir verändert, dass
plötzlich Gott weiß wo Haare sprießen, die Wachstumsschübe und so weiter. Die
Geschlechtsreife ist eins der kostbarsten Geschenke, die unser Schöpfer uns
zuteil werden lässt - und zugleich mit großer Verantwortung verknüpft. Denn
wird sie missbraucht, kann sie den Menschen in tödliche Gefahr stürzen. Ich
spreche von unreinen Taten.
Solche
Taten mögen zunächst in ganz unschuldigem Gewand erscheinen. Als etwas, womit
sich, womöglich auf Empfehlung eines Freundes, ein müßiger Augenblick füllen
lässt. Doch glaube mir, es ist nichts Unschuldiges daran. Es führt auf die
schiefe Bahn, und die führt unweigerlich in den Abgrund. Ich habe mit
angesehen, wie wackere, aufrechte Männer von solch ekelerregenden Betätigungen
auf die Knie gezwungen wurden. Es geht nicht nur um schlechter werdende Noten.
Ich spreche von Schmach, Ungnade, Verbannung. Ein guter Ruf, auf Generationen
hinaus dahin. Und am tödlichsten von allem, die Gefahr für deine unsterbliche
Seele.«
Der Junge
sieht ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Offenbar ist Pater Foley auf der
richtigen Spur.
»Zum Glück
hat der Herr in seiner unendlichen Weisheit uns ein Mittel an die Hand gegeben,
um diesen tödlichen Fallen zu entgehen, und dieses wundervolle Gottesgeschenk
ist der Sport. Mens sana in
corpore sano, wie die Römer zu sagen pflegten. Sie kannten sich
aus auf dem Gebiet, anders hätte es das Römische Reich niemals gegeben.
Natürlich wussten sie noch nichts von Rugby, aber wenn dieser Sport damals schon erfunden
gewesen wäre, hätten sie es bestimmt Tag und Nacht gespielt. Es ist ganz
erstaunlich, wie viele Probleme im Leben sich nach einem zünftigen Rugbymatch
in nichts auflösen.« Er legt die Fingerspitzen aneinander und blickt den Jungen
wohlwollend an. »Du spielst nicht Rugby, Daniel, oder?«, fragt er. Der Junge
schüttelt den Kopf. Paradefall, absoluter Parade- Moment, er sagt was. Liebe
Güte, Kind, du wirst es nicht weit bringen, wenn du immer so nuschelst. Was
war das? »Gewinnen? Nun ja, wir haben für Seabrook durchaus schon einige
Trophäen errungen. Aber ich sage immer, es kommt nicht auf das Gew- Wie bitte? Schülerinnen? Das ist nun
wirklich das Letzte, woran du denken solltest, lass dir das von mir gesagt sein
und halt dich ja fern -«
Doch das
ist es auch nicht. Der Junge gestikuliert und
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