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Murray,Paul

Murray,Paul

Titel: Murray,Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Skippy stirbt (Teil 1)
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traurig.
    »Und
du?«
    »Ich?«
    »Du
wirkst ein bisschen geknickt.« Irgendwie fällt es ihm so leichter, mit ihr zu
reden, mit der Kamera als Puffer zwischen ihnen; er wird mutiger dadurch,
obwohl sie so nahe bei ihm sitzt, dass er sie berühren könnte.
    Sie
zuckt resigniert mit den Schultern. »Ich weiß nicht... es ist nur, diese PR-Leute,
ach Gott, die klingen schon so, als würden sie sich selbst in Maschinen
verwandeln: Stell ihnen irgendeine Frage, und sie liefern dir immer dieselbe
stereotype Antwort ...« Sie verstummt. Ihre Finger wandern mit der Rückseite
über ihre Stirn, fast ohne sie zu berühren; die Kamera registriert dort feine
Fältchen, die ihm noch nie aufgefallen sind. Er stellt sie sich vor, wie sie
allein hier sitzt und stirnrunzelnd auf den Bildschirm schaut in der Nische im
Wohnzimmer, die sie zu ihrem Büro gemacht hat, wo sie von Zeitschriften und
Prototypen umgeben ist und nur der Rauch ihrer Zigaretten ihr Gesellschaft
leistet. »Ich hab versucht, etwas zu schreiben«, sagt sie nachdenklich.
    »Etwas?«
    »Eine
Geschichte. Ich weiß nicht. Irgendwas.« Auch sie wirkt zufriedener mit diesem
Arrangement, davon befreit, ihm in die Augen sehen zu müssen; sie schaut aus
dem Fenster, auf den Aschenbecher hinab, drückt ihr Armband gegen die Knochen
ihres Handgelenks, knetet es. Howard begehrt sie plötzlich. Vielleicht ist
das die Lösung all ihrer Probleme! Er könnte die Kamera ständig tragen, sie
irgendwie an seinen Kopf montieren. »Ich hab mich hingesetzt und mir gesagt,
dass ich erst wieder aufstehe, wenn ich etwas geschrieben habe. Eine volle
Stunde hab ich da gesessen, aber was soll ich dir sagen, ich konnte an nichts
anderes denken als an Drucker. Ich bin schon so lange mit dem Zeug hier
eingesperrt, dass ich vergessen habe, wie richtige Menschen denken und sich
verhalten.« Unglücklich schlürft sie ihren Tee. »Meinst du, es gibt einen Markt
für so was, Howard? Romane mit Bürogeräten als Hauptfiguren? Modem
Bovary. Der Scanner von Notre-Dame?«
    »Wer
weiß? Die Technik wird von Tag zu Tag schlauer. Vielleicht ist es nur noch
eine Frage der Zeit, bis Computer anfangen, Bücher zu lesen. Du könntest da
einer großen Sache auf der Spur sein.« Er legt seine freie Hand auf ihre und
sieht sie in der Ecke des Displays liliputanerhaft verkleinert hüpfen. »Ich
versteh nicht, warum du nicht einfach aufhörst«, sagt er. Sie haben dieses Thema
schon so oft erörtert, dass er sich Mühe geben muss, damit es nicht
gedankenlos klingt. Aber vielleicht geht es ja diesmal anders aus? »Du hast
doch ein bisschen was auf der hohen Kante. Warum nimmst du dir nicht eine
Auszeit und schreibst einfach? Gib dir, sagen wir, sechs Monate, und schau,
was du zustande bringst. Wir könnten es uns leisten, wenn wir den Gürtel enger
schnallen.«
    »So
einfach ist das nicht, Howard. Du weißt, wie schwer es ist, jemanden zu finden,
der mir eine Arbeitserlaubnis beschafft. Die bei Futurlab meinen's gut mit mir,
da wär's blöd, dort aufzuhören.«
    Er
überhört den indirekten Vorwurf, tut so, als gehe es ihm wirklich um ihr
Schreiben. »Du würdest schon wieder was finden. Du bist gut in deinem Fach. Und
überhaupt, warum zerbrichst du dir nicht erst dann den Kopf, wenn es so weit
ist?«
    Sie
verzieht das Gesicht und murmelt etwas.
    »Nein,
im Ernst, warum nicht?«
    »Mein
Gott - ich weiß es nicht, Howard. Vielleicht ist das das Einzige, was ich kann.
Vielleicht gibt es außer Bürogeräten nichts, worüber man schreiben kann.«
    Er
zieht entnervt seine Hand zurück. »Also, wenn du nicht bereit bist, irgendwas
zu ändern, dann beklag dich auch nicht.«
    »Ich
beklage mich doch nicht. Wenn du mir einmal richtig zuhören würdest...«
    »Ich
hör dir zu, das ist ja das Problem, ich hör die ganze Zeit zu, wie du mir
sagst, dass du unglücklich bist, aber wenn ich dir dann Mut machen will, was
anderes zu versuchen -«
    »Ach,
vergiss es, ich mag nicht mehr drüber reden.«
    »Schön,
aber dann sag nicht, ich hör dir nicht zu, wenn du in Wirklichkeit gar nicht
reden willst »
    »Jetzt
hör auf damit und leg endlich das Scheißteil weg!« Sie starrt ihn wütend und
gekränkt an, bis er den Deckel der Kamera zuschiebt. Wieder mal typisch. Sie
schnappt sich eine neue Zigarette, zündet sie in einer einzigen unwilligen
Bewegung an und zieht daran.
    »Schon
gut«, sagt Howard, nimmt sein Buch und steht auf. »Schon gut, schon gut, schon
gut.«
    Er
verzieht sich ins Gästezimmer und blättert in dem Buch

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