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Murray,Paul

Murray,Paul

Titel: Murray,Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Skippy stirbt (Teil 1)
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kommt.
    »Nun?«
Pater Greens Augen zwinkern ihm fröhlich zu.
    Mit
zusammengebissenen Zähnen sagt Skippy: »Ich weiß es nicht.«
    »Sie
wissen es nicht?«, wiederholt Pater Green, der jetzt auf Schauspieler
umgeschaltet hat, mit einem neckischen Seitenblick auf sein Publikum. »Was soll
das heißen, Sie wissen es nicht?«
    »Ich
weiß es nicht.« Skippy starrt ihn an, sein Kinn zittert, er kann nur mit Mühe
die Tränen zurückhalten.
    »Sie
wissen nicht, was Sie meinen, wenn Sie sagen, Sie wissen es nicht?«
    »Ich
weiß es nicht.«
    »Mr.
Juster, Gott hasst den Lügner, und ich auch. Sie sind hier unter Freunden.
Warum sagen Sie uns nicht die Wahrheit? Sind Sie noch Jungfrau?«
    Ein
gequältes Zucken erschüttert jetzt Skippys Gesicht. Die Uhr zeigt noch fünf
Minuten an. Geoff wirft Ruprecht einen verzweifelten Blick zu, als wüsste der,
was zu tun ist, aber die Spiegelung macht die Brillengläser undurchsichtig.
    »Ich
weiß es nicht.«
    Das
nachsichtige Lächeln verschwindet von den Lippen des Paters, und die
Gewitterwolken verdichten sich wieder im Raum. »Sagen Sie mir die Wahrheit!«
    Tränen
laufen Skippy über die Wangen. Keiner kichert mehr. Warum gibt er Pater Green
nicht einfach, was er will? Aber Skippy wiederholt wie ein Schwachkopf nur
immer wieder: »Ich weiß es nicht«, er wird immer grüner im Gesicht und macht
den Pater immer wütender, und schließlich sagt dieser: »Mr. Juster, ich gebe
Ihnen eine letzte Chance.« Alle sehen seine knochige Hand zur Faust geballt auf
Jeekers' Pult liegen, und sie denken an den Elftklässler, der genäht werden
musste, und all die anderen Legenden, die den Pater umwabern, und im Geist
schreien sie alle aus Leibeskräften: »verdammt noch mal, skippy! sag ihm
doch endlich, was er hören will !«, aber Skippy schweigt verstockt und benommen, und
um ihn herum sprüht es Funken, und die Augen des Priesters funkeln ihn hungrig
an wie Wolfsaugen, und niemand weiß, was als Nächstes passieren wird, und dann
macht der Priester einen Schritt vorwärts, und Skippy schwankt leicht, richtet
sich plötzlich kerzengerade auf, öffnet den Mund und erbricht sich im hohen
Bogen über Kevin »What's« Wong.
     
     
    Halley
sah Howard zum ersten Mal nach einer Vorstellung von Flammendes
Inferno. Als
sie ihrer Schwester von ihm erzählte, fragte die sich laut, wie viel Zukunft
zwei Menschen haben können, die sich in einem Katastrophenfilm kennengelernt
haben. Doch Halley war zu dem Zeitpunkt nicht wählerisch. Sie war erst gut drei
Wochen in Dublin - nicht lange genug, um sich nicht immer noch ständig zu
verlaufen in diesen vertrackten Straßen, deren Namen sich dauernd änderten,
aber schon so lange, dass sie sich die meisten Illusionen über die Stadt
abgeschminkt hatte; und auch so lange, dass der größte Teil ihres mitgebrachten
Geldes für die Kaution und die erste Monatsmiete für ihre neue Wohnung
draufgegangen war und ihr kaum noch Zeit für Seelenerforschung und
Selbstfindung blieb. Den Nachmittag hatte sie in einem Internetcafe damit
zugebracht, widerwillig ihren Lebenslauf auf den neuesten Stand zu bringen; sie
hatte mit niemandem mehr geredet, seit sie am Abend zuvor ein Gespräch mit dem
chinesischen Pizzaboten über seine Heimatprovinz Yunnan geführt hatte. Als sie
das Plakat für Flammendes Inferno entdeckte, den sie und Zephyr
sich bestimmt zwanzigmal angeschaut hatten, war es, als hätte sie einen alten
Freund getroffen. Sie ging hinein und wärmte sich drei Stunden lang an dem
vertrauten Szenario einstürzender Bauwerke und erstickender Hotelgäste; sie
blieb auf ihrem Platz sitzen, bis die Reinigungsleute um ihre Füße herum zu
fegen anfingen.
    An
der Bordsteinkante draußen vor dem Kino entfaltete sie ihren Stadtplan und
suchte ihn nach einem Lokal ab, in dem sie vielleicht die nächsten zwei Stunden
verbringen konnte, als ein vorbeirauschendes Taxi ihr den Plan aus der Hand
riss. Er flatterte wie wild geworden in die Höhe, segelte dann wieder herab
und legte sich an die Brust eines Mannes, der gerade aus dem Kino gekommen
war. Halley lief vor Verlegenheit knallrot an, aber dann merkte sie, dass der
Mann - der sich verwirrt aus dem zweidimensionalen Abbild der Stadt wickelte,
sodass es fast so aussah, als sei er dem Plan entstiegen - irgendwie süß war.
    (»Wie
denn süß?«, wollte Zephyr wissen. »Er sieht irisch aus«, sagte Halley, und
damit meinte sie eine Anzahl undeutlicher Merkmale - blasse Haut, mausbraune
Haare, allgemein ungesundes Aussehen

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