Murray,Paul
Unterricht.«
»Hast
du was Falsches gegessen?«
»Nicht,
dass ich wüsste.«
»Sicher
ein Magen-Darm-Infekt. Wie geht's dir jetzt?«
»Okay.«
»Klingt
nicht so toll.«
»Ich
musste zur Schulschwester.«
»Was
hat sie gesagt?«
»Sie
hat mich nur ins Bett geschickt. Und ich soll morgen nicht zum Training gehen.«
»Ist
das schlimm?«
»Ja,
schon.«
»Hmm.«
Hinter dem Patchwork von TV-Dads hörst du, dass er nicht weiß, was er sagen
soll. Dad redet nicht gern am Telefon: Es ist, als würde das Patchwork desto
straffer gespannt, je länger sie reden, sodass immer mehr Dinge durchkommen,
die sie gar nicht sagen. »Das klingt wirklich nach einem happigen Infekt. Behalt's
im Auge, Sportsfreund, und dann sehen wir weiter.«
»Okay.«
Du wartest eine Sekunde, dann fragst du, als sei es dir eben eingefallen: »Ist
Mum da?«
»Mum?«,
wiederholt Dad, als sei sie eine schon vor langer Zeit weggezogene Nachbarin.
»Ja.«
Wieder
eine Pause, dann: »Weißt du, es könnte sein, dass sie gerade ein Nickerchen
macht, Tiger. Aber ich seh mal nach.« Er legt den Hörer hin, und du hörst ihn
weggehen: Er macht die Küchentür auf, scheucht Dogley von der Treppe, ruft nach
Mum, kommt dann zum Telefon zurückgestapft und gibt dir die Antwort, die du
erwartet hast. »Ja, sie hat sich diese Minute hingelegt, Danny. Wir wecken sie
besser nicht. Vielleicht ruft sie dich morgen an.« Mit diesem Versprechen
verstummt er und wartet darauf, dass du das Gespräch beendest.
Ihr
spielt ein Spiel, du und Dad. Es gibt viele Regeln für das Spiel, vielleicht
unendlich viele, und sie sind überall um dich herum wie winzige Fischgräten
oder Infrarotstrahlen. Die wichtigste Regel allerdings ist, dass ihr nie,
niemals über das Spiel redet: Ihr tut so, als gäbe es kein Spiel, obwohl ihr
beide wisst, dass der andere es spielt; ihr haltet ganz still, ihr tut so, als
sei alles normal, und wenn ihr nicht mehr wisst, was normal ist, dann
verwandelt ihr euch in TV-Dad und TV-Sohn.
Jedenfalls
glaubst du, dass das von dir erwartet wird. Aber heute Abend ist etwas
schiefgegangen, und du schaffst es nicht, dich an die Spielregeln zu halten.
»Ich wollte fragen ...«
»Ja,
was?«
Du
weißt, du solltest es nicht sagen. Also änderst du es. »Ich wollte fragen, ob
ihr euch schon entschieden habt wegen der Herbstferien.«
»Ach
- irgendwie sind wir nicht dazu gekommen, das zu besprechen, Kumpel. Hier ist
es in letzter Zeit ein bisschen drunter und drüber gegangen. Aber ich bin
ziemlich sicher, dass es klappen wird. Drück die Daumen.«
»Aha«,
sagst du. Du gehst ans Fenster, berührst den Vorhang, als hätte er magische
Kräfte. »Hm«, sagst du. Du holst tief Luft. Wirst du es wirklich sagen? Allen
Ernstes? »Meinst du, ich könnte dieses Wochenende nach Hause kommen?«
»Dieses
Wochenende?« Dad versteht nicht. »Wie meinst du das, dieses Wochenende,
Sportsfreund?«
»Ich
dachte nur ...« Du schämst dich, weil deine Stimme bricht - das ist absolut
gegen die Regeln! »Ja, weil mir doch schlecht geworden ist, da wär's vielleicht
ganz gut, übers Wochenende nach Hause ...«
»Hmm
...« Hinter seiner Patchworkstimme schreit Dad: Was soll
denn das? »Also
weißt du, Sportsfreund, wir würden uns beide sehr freuen, dich zu sehen, aber,
wie gesagt, in letzter Zeit war hier alles ein bisschen, äh, ein bisschen
chaotisch ...«
»Ich
weiß, aber ...«
»Natürlich,
wenn du krank bist, aber ... weißt du, ich frage mich wirklich, ob das so eine
gute Idee wäre.«
»Bitte!«
Du schluchzt, große dicke Brocken aus Schleim und Tränen.
»Ich
glaube, wir halten uns doch besser an die ursprüngliche Planung, Sportsfreund.«
Dad tut so, als hätte er dich nicht gehört. »Wir freuen uns beide wirklich
darauf, wenn du in den Herbstferien kommst, und ich bin sicher, ich bin fast
zu neunzig Prozent sicher, dass es am besten ist, wenn wir uns an die ursprüngliche
Planung halten. Und bis zu den Herbstferien sind es doch nur noch zwei Wochen,
stimmt's? Stimmt's?«
Du
bist außerstande, ihm zu antworten. Deshalb spricht Dad weiter. »Deine Mutter
wird sich grün und blau ärgern, dass sie dich heute Abend verpasst hat. Sie ist
schon schrecklich gespannt auf deinen nächsten Wettkampf, es tut uns beiden
schrecklich leid, dass wir am Samstag nicht dabei sein konnten, aber beim
nächsten dann, das hat sie sich ganz fest vorgenommen, und Dr. Gulbenkian
meint, wir sind wirklich an einem Wendepunkt, also drück weiter die Daumen und
trainier weiter, und im
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