Murray,Paul
November werden wir dann, na ja, dann werden wir
...«Ihm fehlen die Worte, und er kann nur noch darauf warten, dass dein
Schluchzen sich erschöpft. »Alles in Ordnung, Danny?«
»Ja«,
bringst du mühsam heraus.
»Okay«,
sagt Dad. »Dann halte ich dich am besten nicht länger auf, ja?«
»Ja,
klar.«
»Okay.
Wir sprechen uns bald wieder, Sportsfreund, ja? Du fehlst uns.«
Du
legst auf, wischst dir Augen und Nase am Ärmel ab, bleibst noch lange am
Fenster stehen und atmest in langen Zügen stoßweise ein und aus. Herbstblätter
kringeln sich im Fensterrahmen, gefangen in einem Flaum aus Spinnweben.
Ruprechts Mondkarte flattert im Luftzug, die Berge und Krater, die Meere, die
keine Meere sind, steif und grau und unbeweglich wie Zuckerguss auf einer vor
tausend Jahren zurückgelassenen Geburtstagstorte.
Wie
können die wissen, wie es weit draußen im All aussieht, wenn sie nicht einmal
merken, was in einem Menschen vorgeht, der direkt vor ihnen steht?!!
Na,
buuhuu, willst du noch ein bisschen heulen, Skippy? Willst du wieder eine Pille
nehmen und einschlafen? Oder deinen Nintendo anmachen und dein kleines Spiel
spielen?
Hast
du das Gefühl, im Rachen von etwas Riesigem zu stecken?
Die
Finger, die auf deiner Wange brennen. Antworten Sie mir, Mr. Juster!
Wieder
am Fuß der bröckelnden Treppe. In den kahlen Bäumen die Wesen, die statt der
Vögel gekommen sind. Die Tür geht knarrend auf, und du betrittst die Great
Hall. Du bahnst dir deinen Weg durch den flüsternden Stein, durch graue
Lichtbündel, die sich in Spinnweben verfangen haben. Du schlängelst dich vorbei
an den Zombies, die aus der Bibliotheksuhr hervorbrechen und in den
Speisenaufzug klettern. Du hast diesen Teil so oft gespielt, dass er dir keine
Angst mehr macht, sondern zu einem Muster geworden ist, dem du gedankenlos
folgst.
In
längst vergangener Zeit wurde das Reich von einer schönen Prinzessin regiert.
Du wirst sie auf dem Titelbildschirm sehen, unter dem mittelalterlichen Schriftzug Hopeland: blaue Augen, honigfarbenes Haar und Raureif, der sie glitzern lässt wie
ein ferner Stern. In ihren gefrorenen Händen hält sie eine kleine Harfe - auf
der hat sie jeden Morgen auf den Wällen des Palastes gespielt, um die Sonne
hervorzulocken. Doch dann hat Mindelore das Instrument gestohlen und es dazu
benutzt, drei uralte Dämonen zu beschwören, und die haben das Reich in Schutt
und Asche gelegt und die Prinzessin im Eis eingekerkert! Die Ältesten haben
dich, Djed, einen gewöhnlichen Waldelf, auserwählt, die Zauberwaffen zu suchen,
die Prinzessin zu retten und das Reich aus der Gewalt der Dämonen zu befreien.
Du hast das Schwert der Lieder und die Lichtpfeile - jetzt brauchst du nur noch
den Tarnumhang, der dich unsichtbar macht, und du bist bereit zum Kampf mit den
Dämonen. Doch immer wieder bleibst du hier stecken, im Haus der Toten -
»Machst
du immer noch diesen Quatsch?« Die Tür fliegt auf, und Ruprecht kommt ins
Zimmer gestürmt. Ohne eine Antwort abzuwarten, setzt er sich an seinen Computer
und trommelt ungeduldig mit den Fingern auf seinen Schenkel, während das Gerät
in die Gänge kommt. »Pater Green hat dich gesucht«, sagt er über die Schulter
zu Skippy.
»Ich
weiß.«
»Was
wollte er?«
»Nur
nachsehen, ob es mir besser geht.«
»Aha.«
Ruprecht hört nicht mehr zu - er sieht stirnrunzelnd zu, wie sich seine Mailbox
füllt.
Am
Anfang des Monats hat Ruprecht folgende E-Mail geschrieben, die per Satellit
in den Weltraum geschickt wurde:
Seid
gegrüßt, ihr anderen intelligenten Lebensformen! Ich bin Ruprecht Van Doren,
ein vierzehn Jahre alter menschlicher Junge vom Planeten Erde. Mein
Lieblingsessen ist Pizza. Mein liebstes großes Tier ist das Nilpferd. Nilpferde
sind hervorragende Schwimmer, trotz ihres massigen Körpers. Sie können jedoch
aggressiver sein, als ihr träges Verhalten vermuten lässt. Also Vorsicht bei
Annäherung! Wenn ich mit der Schule fertig bin, möchte ich an der Stanford
University promovieren. Ich bin ein guter Sportler, und zu meinen Hobbys
gehören das Programmieren meines Computers und Kniffeln, ein Würfelspiel, bei
dem es auf Geschick und Glück ankommt.
Wenn
man auf die METI-Webseite geht, kann man die Verbreitung der Botschaft
verfolgen. Bis jetzt ist sie noch nicht beim Mars angelangt; trotzdem sieht
Ruprecht jeden Abend nach, ob er irgendwelche Antwortmails von Außerirdischen
bekommen hat.
»Wer
würde denn auf so was antworten wollen? Das ist die schwulste
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