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Murray,Paul

Murray,Paul

Titel: Murray,Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Skippy stirbt (Teil 1)
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Schilderung, Sie
wissen schon, von Menschen, denen die Eingeweide heraushängen, zum Schreiben
über die Liebe schafft.«
    »Vielleicht
ist das gar kein so großer Sprung«, sagt sie.
    »Das
meinen Sie doch nicht ernst?«
    »Waren
Sie überhaupt schon mal richtig verliebt?«, frotzelt sie.
    »Ja,
natürlich«, gesteht Howard verschämt. »Ich meinte nur, im Hinblick auf das Schreiben, dass es stilistisch doch ein
großer Sprung vom einen zum anderen sein muss ...«
    »M-hmm.«
Sie macht das mit der Zunge, fährt mit der Spitze prüfend über ihre Oberlippe.
    »Was
ich noch sagen wollte«, sagt er, »wir haben uns da neulich irgendwie auf dem
falschen Fuß erwischt.«
    »Ach
ja?«
    »Na
ja, ich meine ...« Undeutlich ist er sich der Schüler bewusst, die auf beiden
Seiten an ihnen vorbeiströmen. »Wissen Sie noch, Sie haben doch zu mir gesagt,
Sie würden, äh, eine bestimmte Sache nicht mit mir machen?«
    »Ich
hab zu Ihnen gesagt, dass ich nicht mit Ihnen schlafen werde.«
    »Ja,
genau ...« Er spürt, dass er knallrot anläuft. »Ja, also, ich wollte nur... ich
hoffe, ich hab nicht den Eindruck erweckt - ich meine, ich wollte Ihnen einfach
nur sagen, dass ich, Sie wissen schon, dass auch ich nicht im Entferntesten
daran gedacht habe, so etwas mit Ihnen zu tun.«
    Sie
denkt einen Moment darüber nach, dann sagt sie: »Mehr fällt Ihnen dazu nicht ein,
nach zwei ganzen Tagen?«
    »Nein«,
sagt er widerstrebend.
    »Dann
werde ich jetzt garantiert nicht mit Ihnen schlafen«, sagt sie lachend und dreht
sich auf dem Absatz um.
    »Aber
wenn Sie das sagen«, ruft er ihr verzweifelt nach, »was meinen Sie dann
tatsächlich damit?«
    »Bis
später, Howard«, ruft sie über die Schulter zurück.
    »Warten
Sie!« Aber der Zauber ist dahin: Während er ihr nacheilt, wird ihm wieder
bewusst, dass er in einer Welt der Objekte lebt, der Hindernisse, die sich
zwischen ...
    »Entschuldigen
Sie, Howard, ich hab Sie nicht gesehen ...«
    Howard
ist außer Atem, kann nur nach Luft schnappen.
    »Ah,
Robert Graves!« Jim Slattery hebt das heruntergefallene Buch vom Boden auf.
»Lesen Sie das Ihren Schülern vor?«
    Resigniert
sieht Howard Miss Mclntyres entschwindender Gestalt nach, die sich sogar von
hinten über ihn lustig zu machen scheint.
    »Ein
außergewöhnlich vielseitiger Autor, dieser Graves«, spricht Slattery ahnungslos
weiter. »Auf so einen stößt man heutzutage nicht allzu oft. Lyrik, Romane,
antike Mythologie ... Haben Sie jemals in seine Weiße
Göttin reingesehen?
Ziemlich überkandidelt, aber einfach faszinierend ...«
    Howard
weiß, dass es jetzt kein Entkommen mehr gibt. Fünf Jahre hat er in einem
Klassenzimmer gesessen und sich diese Sermone angehört. Wenn Jim Slattery
einmal mit einem Thema angefangen hat, das ihn interessiert, kann ihn nur noch
ein Gott von seiner Bahn abbringen.
    »...
er betrachtet verschiedene vorchristliche Gesellschaften - Europa, Afrika,
Asien - und findet stets dieselbe Figur, diese Weiße Göttin mit langem blonden
Haar, blauen Augen und blutrotem Mund. Bis zu den Babyloniem zurück reicht die
Geschichte. Seine Theorie ist, dass Poesie, wie wir sie kennen, aus dieser Göttinnenverehrung
entstanden ist. Alle Poesie, oder besser gesagt, alle wahre Poesie erzählt
dieselbe Geschichte - einen Fruchtbarkeitsmythos würde man es wohl nennen ...«
    Blaue
Augen, ein blutroter Mund.
    »...
Kampf zwischen dem Dichter, der den kommenden Frühling verkörpert, und
sozusagen seinem übernatürlichem Double oder negativem Selbst, das die
Vergangenheit, Winter, Dunkelheit, Stillstand und so weiter verkörpert, für
die Liebe dieser Weißen Göttin ...«
    Garantiert nicht mit Ihnen schlafen.
    »Landet
er auf Mallorca, ausgerechnet - Graves, meine ich. Zieht mit einer Frau hin,
einer Dichterin. Deya. Wir waren übrigens auch dort, vor zwei Jahren, meine
Frau und ich. Schönes Fleckchen Erde, abseits der Touristenzentren.
Unglaubliche Landschaften. Und die Meeresfrüchte! Ich weiß noch, als meine
Frau sich eines Abends zu mir umdrehte, hatte sie die Garnele ...«
    Howard
nickt benommen. In der Ferne, bildet er sich ein, sieht er ihr weißes Halstuch
im Dickicht des Anbaus verschwinden wie die Spitze eines Fuchsschwanzes.
     
     
    Kaum
ist Skippy außer Sicht, fängt er an zu rennen. Er rennt weiter, bis er in
seinem Zimmer ist, den Kopf voller fliegender Funken, so dicht, dass er fast
nicht hindurchsehen kann.
    Mit
dir reden? Worüber will der mit dir reden?
    Scheiße!
    Panik
schießt knisternd durch

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