Murray,Paul
Tussi, heute musst du dir deine Pillen woanders besorgen. Carl hat so
die Nase voll, dass er eine Reißzwecke von der Wand nimmt und sich eine Linie
in den Arm ritzt, dann zieht er rasch den Ärmel wieder runter, weil die Tür
knarrend aufgeht und Mom da steht. Ihr Gesicht liegt im Schatten. Er hört sie
trotz Fernseher und Anlage schniefen.
»Carl,
mein Schatz?«
Er
antwortet nicht.
»Carl,
mach die Musik mal kurz aus, mein Engel.«
Er
schnaubt vor Ärger und drückt zuerst auf die Fernbedienung der Anlage und dann
auf die des Fernsehers. Er hat es so satt, mit zwei Fernbedienungen zu
arbeiten! Aber er lässt das Bild an und schaut darauf statt auf Mom, auf die
lachenden Typen mit dem Hammer und den Typ, der sich mit geschlossenen Augen
und offenem Mund auf dem Boden wälzt.
»Ach,
Carl ...« Mom steht ein Weilchen am Fenster, den Vorhang zwischen Daumen und
Zeigefinger. »Ach, mein Schatz ...«
Dann
taumelt sie seitwärts auf die Bettkante neben Carls Knien, die Hände über Nase
und Mund, und stößt leise Maunzlaute aus. Ihre Fingernägel sind lang und golden
und spitz wie die Krallen eines goldenen Tiers, und um den Hals trägt sie eine
Kette mit großen glänzenden Diamanten, als sei sie gerade von einem Dinner mit
jemand Bedeutendem in einem teuren Restaurant zurück und hätte sich nicht in
ihrer Mikrowelle ein Weight-Watchers-Gericht warm gemacht. »Manchmal -«, sie
richtet sich auf und wischt sich Rotz unter der Nase weg,»- kommen zwei
Menschen, auch wenn sie sich sehr, sehr lieben, in ihrem Leben an einen Punkt
...«
Das
Handy zirpt: eine SMS von Barry.
DEINE FREUNDIN SIEHT VERDAMMT GUT AUS ALTER
WENN DU NICHT KOMMST MACH ICH SIE AN!!
Carls
Blut gefriert.
»Dein
Vater und ich sind in letzter Zeit nur noch selten einer Meinung. Da ist keiner
schuld dran, manchmal geht es einfach so mit Beziehungen ...«
Barry,
der ihr Pillen gibt. Barry, der Witze reißt. Barry, der kluge Dinge zu ihr
sagt.
«...
und der Himmel weiß, wie oft wir uns zusammengesetzt und versucht haben, mit
allem ins Reine zu kommen, aber am Ende ...«
Barrys
Hand, die in ihre Jeans gleitet. Barry, der sie in einer Toilettenkabine fickt
- ihre Titten in Barrys Händen, Barrys Augen verdreht, während er ihr seine
Ladung ins Gesicht spritzt!
»...
keine Möglichkeiten mehr.« Carls Mom sieht ihn mit feuchten Augen an, und ihre
Stimme zittert: »Aber dein Dad und ich, wir beide finden, dass du eins wissen
sollst: Das bedeutet nicht, dass wir dich weniger lieb haben, okay? Okay,
Schatz?«
Barrys
weißer Glibber, der langsam ihre Wange hinabläuft.
»Nein!«,
schreit Carl.
»Ach,
mein armer Schatz!« Carls Mom bricht in Schluchzen aus. »Mein armer kleiner
Schatz.« Sie legt ihre Hand an seinen Hals und zieht mit überraschender
Heftigkeit seinen Kopf an ihre Brust. »Ach, mein Schatz, es wird alles gut, ich
verspreche es, ich hab dich so lieb, Carly, ich werde dich immer lieb haben,
mehr als alles andere auf der Welt, mehr als irgendetwas...« Er wird mit Gewalt
an ihre Titte gepresst, er hört die Salzlösung darin herumschwappen; es ist,
wie wenn man sich eine große Muschel ans Ohr hält und das Meer hört, ein falsches
Meer ... Über seinem Kopf redet und heult sie weiter, der Regen prasselt ans
Fenster, Carl spürt, wie sich seine Augen schließen. Doch dann sieht er die
Schlampe auf den Knien, wie sie Barry den Schwanz lutscht! Er öffnet die Augen
wieder und schaut auf die Uhr. 20:30. Er macht sich von Mom frei und setzt sich
auf.
»Ich
muss los. Ich komm zu spät zum Hop.«
»Natürlich,
mein Schatz. Ich möchte nicht, dass sich das auf dein Leben auswirkt.« Mom
wischt sich mit dem Handrücken die Wange und schenkt ihm ein falsches Lächeln.
»Wir müssen doch füreinander stark bleiben, nicht wahr?«
»Ich
bin wirklich schon sehr spät dran«, wiederholt Carl. Er steht auf, schließt den
Reißverschluss seiner Jacke und sieht sie nicht an, obwohl er spürt, dass sie
ihn ansieht.
»Du
wirst der Hübscheste im ganzen Saal sein«, sagt sie. Sie fängt wieder an zu
weinen.
Carl
stürmt aus dem Zimmer und die Treppe hinunter. Zwei Stühle sind gegen die
Haustür gestellt, und die Couch schaut zur Hälfte aus dem Wohnzimmer heraus. Er
trägt die Stühle zurück ins Wohnzimmer.
WENN DU NICHT KOMMST MACH ICH SIE AN!!
Er
schiebt die Couch an ihren Platz zurück und geht an die Haustür. Aber sie ist
abgeschlossen. Er hängt die Kette aus, schiebt den Riegel zurück und dreht den
Schlüssel im Schloss.
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