Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)
ich schweife ab. Nein, das kann auch nicht die Lösung sein. Ich muss mir eingestehen, dass das Gaga-Gedanken sind, eben Männer-Phantasien. Geil, aber unsinnig.
Mittlerweile trete ich fester in die Pedale.
Wobei mit zwei Frauen ja auch mehr Kinder möglich wären, was meine Mutti begeistern würde. Sie hat sechs Kinder geboren, sie will viele Enkel.
» Ich kehre um, ich fahre zurück!«, ruft Jana plötzlich.
» Warum das denn?«, fragt Vera.
» Na, ich muss ja noch packen und so.« Janas Stimme zittert ganz leicht.
Kerl, Andi, tu endlich was! Willst du Lethargie oder Leidenschaft?
Ich presse die Lippen aufeinander. Liebe macht blind? Mich macht sie stumm.
» Kommt nicht in Frage«, erwidert Vera bestimmt, » wir wollen heute einen tollen Tag erleben, und das nur mit dir!«
Jana fährt an ihre Seite. Sie scheint dankbar.
Minuten später stoppt uns ein Wassergraben, der so nicht auf der Behelfskarte eingezeichnet ist, uns allerdings die Überquerung mit den Rädern unmöglich macht. Ganz klar ein Punkt zum Anhalten, aber kein Anhaltspunkt, wo und wie es weitergeht.
Willkommen in meiner Welt. Hürden sind soo doof.
Die Einheimischen, die Walter nach dem Weg fragt, versuchen uns weiterzuhelfen. Nur – selbst die, die englisch sprechen, wissen nicht genau, wo wir das Hindernis umfahren können. Dafür kreisen ihre Arme engagiert in alle Richtungen.
» Herrgott noch mal!« Kurt hat nun völlig die Orientierung verloren.
» Du musst buddhistisch fluchen, sonst bringt das nichts«, erklärt Walter schnoddrig.
» Ach kommt, wir verfahren uns so lange weiter, bis wir wieder richtig sind.« Kristins Ideen sind manchmal richtig raffiniert.
Unentschlossen stehen wir am Weg, ein kleiner Lastwagen zieht an uns vorüber. Auf der Ladefläche sitzen Männer eng beieinander, sie johlen uns zu. Kaum hat sich die Staubwolke verflüchtigt, fährt ein Pig-Dealer vorbei und wirbelt den roten Sand erneut auf. Die beiden Schweine, die auf dem Moped festgeschnallt sind, schlackern mit den Ohren.
Kurt zieht seine Kappe vom Kopf, wischt sich über die tropfende Stirn und deutet wiederholt auf Walters Plan, der mit seinen wenigen Strichen eher einer Schatzsucher-Karte gleicht.
» Der Weg zum Bakong-Tempel verläuft doch eigentlich vom Hotel aus nur stur nach Osten.«
» Ja richtig, ›verlaufen‹, das ist unser Stichwort.« Vera zwinkert ihm zu. » Aufsitzen, weiter!«
Unsere Betriebstemperatur haben wir längst erreicht, ja überschritten, doch die Mittagssonne heizt weiter auf. Als wir an eine Hauptstraße kommen, geht es nur nach rechts oder links. Also immerhin eine Chance von 50:50. Mangels Telefonjoker befrage ich das Publikum. Schlapp spreche ich dem Senioren am Straßenrand ins sonnengegerbte Gesicht.
» Bakong …?«
Ohne zu zögern, streckt er seinen Arm nach rechts aus. » Four Kilometers.«
Ein souveräner Wegweiser. Danke, weiser alter Mann. Mit gefalteten Händen verneige ich mich vor ihm. » Karma for you.«
Die Sonne sticht durch das Blätterdach und verstreut ihr Licht auf dem Waldboden. Derart ausgeleuchtet glänzt die tropische Natur in sämtlichen Grüntönen. Mittendrin reckt sich ein grau-schwarzer Klotz in die Höhe: Bakong, Angkors ältester Tempelberg. Aus Sicht eines Vogels wirkt die Anlage wohl wie eine verdorrte Blüte, umgeben von saftig grünen Pflanzenblättern. Mitten im Urwald liegen die grob gehauenen Steine aus dem 9. Jahrhundert und dösen in der Mittagshitze vor sich hin. Klar, die haben Zeit. Arglos liegen die dicken Trümmer überall herum, ein gelbes Plastikschild warnt: Besteigen auf eigenes Risiko!
» Herrlich, hier ist es ja wie in einem Rosamunde-Pilcher-Film«, freut sich Mutti.
» Die gucke ich auch gerne«, sagt Mechthild.
Kurt fasst sich an die schweißnasse Kappe. » Das werde ich nie verstehen! Warum nur schauen sich Frauen diese Schmonzetten an?«
» Na, wegen der Landschaft.« Für Mutti scheint das selbstverständlich.
Sicher, wegen der Handlung kann es ja nicht sein. Ach, ich kann mir meine Ironie auch sparen, so chaotisch wie meine eigene Story gerade läuft. Jana hätte einen Prinzen auf einem Pferd verdient, stattdessen gebe ich den Dorftrottel auf dem Drahtesel.
Es reicht! Ich muss Jana endlich sagen, dass ich gefühlsmäßig in einer herzklappernden Zwickmühle bin. Jetzt oder nie. Hier und heute. Helden überlegen nicht, Helden reiten voran.
Das ist die Idee! Warum soll ich es nur ihr allein sagen? Die ganze Welt soll von meiner Liebe erfahren!
Na
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