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Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)

Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)

Titel: Muscheln für Mutti: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Dörr
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klar, ich klettere einfach auf die Spitze von diesem pyramidenförmigen Tempelgedöns und schmettere meine Worte an Jana frei heraus. Es sollen ruhig alle mitbekommen! Wenn das nicht romantisch ist, dann weiß ich auch nicht! Dafür wird sich Jana noch in unserer Hochzeitsnacht bei mir bedanken. Oh, ganz genau, ich sollte ihr einen Antrag machen! Mit den Hochzeitsglocken würde auch ihr Herz schwingen. Nein, ich sollte ihr keinen wirklichen Antrag machen. Noch nicht. Aber ich sollte Worte finden, die sie meine tiefen Emotionen fühlen lassen.
    Ich laufe voraus und klettere die Steinbrocken vor den anderen hoch. Da, ein Vorsprung, gut, wie ein kleines Podest. Wie gemacht für eine Ansprache! Ich steige hinauf, mein Puls schlägt schneller. Was genau soll ich denn sagen? Ich habe doch gar nichts vorbereitet. Muss ich auch nicht. Ich lasse einfach mein Gefühl sprechen. Oder doch besser meinen Verstand? Denn meine Gefühle würden vermutlich so was sagen wie » Gnülmpf«. Trotzdem, ich werde spontan sein, basta.
    So, ich stehe gut, wie ein Scheinwerfer leuchtet mich die Sonne aus.
    Das hat natürlich schon etwas von einem Bungee-Sprung. Erst weiß man nicht, wie einem geschieht, aber dann greift ja das Seil und katapultiert einen zurück. Wenn man dann wieder oben ist, klopfen einem alle auf die Schulter. Ja na also. Die anderen sind jetzt nur noch wenige Meter entfernt, also in guter Hörweite. Ich räuspere mich. Noch lässiger wäre natürlich ein Mikrofon. Wie bei einem Moderator oder Musiker. Die sehen ja oft nicht sonderlich gut aus, haben trotzdem die tollsten Frauen, nur weil sie auf der Bühne stehen. Ich werde nie begreifen, wie das zusammenhängt.
    » Liebe Jana!«
    Meine Worte poltern laut die Tempelstufen herab, durchbrechen die Stille des Heiligtums. Schlagartig schauen mich acht Gesichter an. Gut, äh, also weiter.
    » Du bist ja nicht nur unsere Reiseleiterin, sondern … sondern auch unsere Vertraute, Gruppenschönste und ich will sagen: Freundin geworden. Apropos Freundin …«
    Prima Überleitung, gefällt mir, es läuft.
    » Ist das schon die Abschiedsrede?«, fragt Mechthild verwundert.
    » Freundin, so. Ich … also mir … ist etwas klar geworden, hier, in der Muße des Morgens … des Moments … des Monuments, äh, jedenfalls in Muße …«
    » Was für ’ne Muße?« Antje, ich bin dran.
    » Mousse au Chocolat würde zu ihm passen.« Kristin, Mann!
    Ihr bringt mich nicht aus dem Konzept, ihr nicht! Meine Augen schweifen umher. Kurt schaut mich irgendwie seltsam an. Mutti nestelt an ihrer Tasche herum. Janas Blick erscheint mir definitiv verdutzt. Okay, dann muss ich eben noch deutlicher werden.
    » Wie gesagt, liebe Jana, liebe anderen Anwesenden, ich möchte meinem Gefühl Ausdruck verleihen …«
    » Ohne Harald läuft’s nicht so rund. Vielleicht fehlt auch das Karaokeplayback.«
    » Yep. Genial wäre jetzt eine Videokamera.«
    Kristin und Antje, ich kann euch hören! Das gibt Ärger, ich sag’s Mutti!
    » In mir ist die Überzeugung gereift, dass Jana, ja aber auch ich selbst … dingens …«
    » Is klar«, reagieren meine Schwestern stereo.
    Janas Blick wandert leicht zur Seite, genau genommen zum Boden. Ich sollte stärker gestikulieren. Wo war ich stehen geblieben? Bauchgefühl, gib alles.
    » Walter, hast du eigentlich eine Exfreundin?«
    » Ja, meine Frau!«
    Haha, sehr komisch. In seiner Jugend war der Gag sicherlich noch aktuell.
    Exfreundin, verdammt. Wie bin ich jetzt darauf gekommen? Meine Leute werden unruhig.
    » Zum Punkt bitte, Andi«, sagt Mechthild freundlich.
    » Der Punkt ist … ja eben …«
    Ich verfranse mich, strauchle, stocke.
    Ist das jetzt nicht der Moment, in dem das Bungee-Seil zurückschnellen sollte!?
    » Jedenfalls wünsche ich uns allen noch einen schönen Tag und einen guten Heimflug.«
    Mist! Ich steige von dem Felsvorsprung runter. Verschämt fast. Ich hab’s nicht hinbekommen! Die größte Liebeserklärung seit Romeo unterm Balkon verhallt ruhmlos, weil unausgesprochen.
    » Du bist ja noch lustiger als ein Witzebuch«, sagt Kristin triefend ironisch.
    » Lass du mich bloß in Ruhe! Die Sonne hat mich geblendet.«
    Wenigstens bin ich jetzt ein Prinz. Prinz Peinlich.
    Jana ist ein paar Schritte weitergegangen und begutachtet einen steinernen Elefanten. Hoffentlich interessiert sie sich wirklich für ihn. Völlig bedröppelt stehe ich da, völlig bedröppelt und mit noch mehr Selbstzweifeln als eine Frau.
    Walter setzt seine Lesebrille auf und lenkt die

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