Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)
Aufmerksamkeit auf sich.
» Die Wasserbecken, die die Tempel umgeben, dienten als Vorratsspeicher und symbolisieren die Urozeane.«
Paradiesisches Pathos. Zur Blütezeit des Khmer-Reiches muss das Leben hier wundervoll gewesen sein, sofern es damals bereits Janas gegeben hat.
Walter blättert um.
» Der Niedergang war ein schleichender Prozess über einen Zeitraum von hundert Jahren. Die Kontrolle über das Wassersystem entglitt, weil für den Bau der vielen Kanäle und immer gewaltigeren Tempel die Natur zu stark ausgebeutet wurde. Letztlich gingen die Könige an ihrem eigenen Größenwahn zugrunde.«
Vera wartet nur darauf, Walters Infos ergänzen zu können.
» Auch ein Klimawandel soll dazu beigetragen haben, dass Angkor Wat im Mittelalter aufgegeben wurde.«
Tja, manchmal muss man eben etwas hinter sich lassen, um neuen Entwicklungen eine Chance zu geben. Zu meiner Exfreundin zurückzugehen, das wäre jedenfalls auch kein Schritt nach vorne. Jana hingegen … Gnülmpf. Ich sollte endlich fühlen, was ich empfinde!
Allerdings benötige ich eine Verschnaufpause, muss mich nach dieser Schmach erst sammeln. Über einen sandigen Platz laufe ich zum Ausgang der Anlage. In Bakong laufen viel weniger Besucher herum als an den zentralen Tempeln. Umso mehr Kinder sprechen uns an, um ihre Postkarten, Bücher und bunten Urlaubershirts loszuwerden.
» Good quality«, versichern sie uns hartnäckig.
Nach dem Vormittag in der Schule verdienen sie an den Touristen dazu, jedenfalls meistens.
» Ich habe heute noch keinen Profit gemacht.« Der Junge klingt ehrlich.
Schenken soll man das Geld den kleinen Kambodschanern nicht, weil sie sonst auch den nächsten Touristen darum anbetteln würden, hat Jana gesagt. Meine Jana.
Wenn man ihnen dagegen etwas abkauft, gibt man ihnen das Gefühl, für eine Leistung bezahlt zu werden. Bei luftfeuchten 35 Grad sind vor allem Wasserpullen gefragt. Jeder Schluck drückt sich augenblicklich wieder aus den Poren. Der Junge sieht, wie ich meine fast volle Flasche ansetze. Er spricht ganz gut Englisch.
» Hey, das nächste Wasser kaufst du bei mir. Bitte.«
Ich bezahle eine Flasche und gebe sie ihm direkt wieder zurück.
» Danke, mein Freund.«
Ein paar Meter weiter schlappe ich in den Schatten des Tropenwaldes. Schatten, der mir doch eigentlich helfen sollte, einen kühleren Kopf zu bekommen. Schön wär’s. Das Unterholz, über das ich planlos holpre, erinnert mich nur wieder an mein eigenes Gedanken-Gestrüpp.
» Andi, das war eben nicht fair von mir.« Antje nähert sich vom Hauptweg. » Ich wollte dir nicht reinreden.«
» Und warum hast du’s dann getan?« Matt lehne ich mich an einen Baumstamm.
» Du kennst doch unsere Familie. Einer fängt an, Blödsinn zu erzählen, und die anderen können nicht zurückstecken.«
» Ich habe das ganz und gar nicht blödsinnig gemeint.«
» Nein, weiß ich doch, ich meine Kristin.« Antje nimmt einen Zweig auf und fuchtelt damit herum. » Obwohl …«
» Was?«
» Ich sag’s mal so: Deine Ansprache eben, also wenn ich die mit den Wetteraussichten vergleiche, dann wird es heiter bis heikel für dich.«
Ich drücke meine linke Schulter fest an den gewaltigen Stamm. » Ich wollte stark sein, wie ein Fels in der Brandung.«
» Warum?« Für Antje ist das wirklich eine Frage.
» Wie, warum?«
» Du hast doch auf dieser Tour schon einige Male versucht, den dicken Max zu markieren. Hat es dich irgendwie weitergebracht? Hat es Jana beeindruckt?«
Rhetorische Fragen, ich hasse sie. Unschlüssig stapfe ich auf der Stelle. Die erstaunlich großen Ameisen unter mir weichen aus.
» Andi«, sagt sie jetzt energisch, » du kannst es nicht erzwingen.«
Ich laufe um den Baumstamm herum, sein Moos ist flauschig, und sehe wieder Antje an. » Ich kümmer mich drum.«
» Den Satz wollte ich von dir hören.«
» Ja, der ist gut, ne?«, grinse ich.
Antje wendet sich zum Hauptweg, läuft einige Schritte, dreht sich dann noch mal um. » Übrigens, Andi, auch Felsen in der Brandung dürfen Wände aus Styropor haben.«
Über einen lehmroten Pfad radeln wir ins nächste Dorf: Boulon. Ein richtiges Lokal gibt es dort nicht, aber rechts von der Sandstraße eine Garküche, deren sieben Töpfe wohlriechend dampfen: Mittagsbuffet für 1,60 Dollar.
» Dann wollen wir den kulturellen Teil mal passend kulinarisch ergänzen, was?« Kurt reibt sich die Hände. » Was auch immer da vor sich hin suppt, ich löffle es aus.«
Antje stochert in ihrem Teller
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