Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)
Goethe.
Nachdenklich kratzt sie an ihren Schwanzschuppen und meint: » Ich kenne auch einen Spruch. Von Nietzsche. Der sagt: ›Nur wer noch etwas Chaos in sich trägt, kann einen tanzenden Stern gebären.‹ Wirklich, können Sterne tanzen?«
Neptun junior zupft sich am blonden Vollbart, fährt sich durch das dichte Haar: » Gemeint ist, dass du auch mal bewusst gegen den Strom schwimmen sollst, um ein Ziel zu erreichen. Und dass du aufgeschlossen und dir treu sein sollst. Auch optimistisch. Hinter den Wolken strahlt die Sonne. Immer!«
Die Meerjungfrau nickt zustimmend und begreift.
Über den Himmel hat sich derweil eine graue Decke ausgebreitet. Kaum haben die ersten Tropfen das Wasser berührt, wollen die beiden aufbrechen. Als kurz darauf der Regen aus allen Wolken fällt, tauchen sie in eine Welle ein. Um nicht nass zu werden … quasi.
Auf ihrem Tiefgang winken ihnen Fische, Krebse und Skorpione, deren Flossen und Zangenarme durch das schummrige Gewässer viel größer erscheinen, freundlich zu. In der Unterwasserwelt der Tierkreise haben alle Zeichen ihre eigene, spezielle Bedeutung und harmonieren im Aszendenten des Neptuns.
An einer Kreuzung muss Neptuns Sohn über einen verrotteten Holzwegweiser unwillkürlich schmunzeln. Oh ja, weiß er, der steht wahrlich schon lange hier. Nach rechts führt die Strömung zur Halong-Bucht. Linker Hand verläuft der Wasserweg nach Atlantis, das ist die Fernroute, und geradeaus schwimmt es sich zum Mekong-Delta. Der Richtungspfeil nach oben hat den Wassermann immer verwundert. Die Beschriftung »Zum Auftauchen« findet er völlig unsinnig, weil sie nur zu einleuchtend ist. Auf dem sandweichen Meeresgrund angelangt, zupft die Meerjungfrau den Wassermann sanft am Bart …
» Siehst du, Jana, tataa, nix mit Futtern.«
» Los, erzähl weiter.«
» Du, Wassermann«, sagt die Meerjungfrau. Eine leichte Ungeduld kann sie nicht verbergen. » Du … also … ich fühle mich sehr wohl in deiner Nähe.«
Neptuns Sohn reagiert erleichtert und erfreut. » Ja, ehrlich?« Ein vorbeiziehender Fischkutter, der das Wasser aufwühlt, zwingt die beiden zu einer Gesprächspause.
» Na klar, geborgen wie eine Perle in der Auster!«, ereifert sie sich.
Er erhebt sich aus seinem Korallensitz. » Komm jetzt, Meerjungfrau, wir sollten zum Abendessen nicht zu spät erscheinen.« Die Meerjungfrau folgt ihm überaus erfreut.
» Ob die Muschelsuppe jetzt noch heiß ist«, sprudelt es fröhlich aus ihr heraus, » also das steht nun wirklich in den Sternen!«
» Und was in den Sternen steht, interessierte die beiden ja von Anfang an … schöne Geschichte! Aber, ha, verloren. Du denkst eben doch nur ans Essen!«
Und an dein Kleid, Jana. Heiliger Strohsack, sie sieht so scharf darin aus. Der rote Stoff müsste seine Farbe eigentlich aus Scham angenommen haben. Wie Geschenkpapier schmiegt sich das Tuch an ihre Brüste und umschmeichelt ihre Schenkel.
» Starrst du mich an?«
Sie sieht einfach umwerfend aus!
» Ich, äh, genieße die schöne Aussicht.«
Als ich endlich dazu komme, meine Pizza zu essen, ist sie nur noch lauwarm. Sei’s drum.
Montag, 9. Februar
WAS VERSTEHE ICH EIGENTLICH VON FRAUEN? C
Der Teer liegt lang und träge im Morgendunst. Die Nationalstraße 1 wirkt noch recht müde, als wir sie bereits um 7 U hr in südlicher Richtung befahren. Ein Verkehrsschild zeigt gähnend lange 500 Kilometer bis Saigon an.
Harald hat sich im Internet schlaugemacht und verkündet am Mikro die Ergebnisse der Fußball-Bundesliga. » … und der FC hat wieder ’ne Klatsche kassiert«, betont er und sieht in meine Richtung.
Kristin lobt ihn ehrlich. » Souverän wie gestern. Mit Mikro läuft’s bei dir.«
» Im Amt habe ich doch an der internen Fortbildung ›Kompetent kommunizieren‹ teilgenommen.« Er lehnt sich zufrieden zurück. » Ist noch nicht lange her.«
Von der Küste weg steigt die Straße an und zieht sich durch grün bewachsene Hügel, nach einem Schlenker ins Landesinnere flacht sie wieder ab. In der Ebene wird der Asphalt rechts und links von Sand eskortiert, unterbrochen von einigen grellweiß glänzenden Salzlachen. Gefärbte Korallen stehen am Straßenrand in Körben zum Verkauf bereit, schreiend gelb oder kreischend lila machen sie auf sich aufmerksam.
» Es ist verboten, Korallen aus dem Meer zu brechen«, erklärt Toni, » aber es lohnt sich. Die Koreaner und Japaner kaufen sie gerne für die Teiche ihrer Ziergärten.«
Bei einer Kaffeepause in einem Lokal freut
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