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Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)

Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)

Titel: Muscheln für Mutti: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Dörr
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solidarisch, auch die Köpfe der anderen aus der Schlinge zu ziehen.
    Was Jana nicht versteht. » Aber Lena hat doch 2010 in Oslo gewonnen!«
    » Ja, aber das weiß der doch nicht!«
    » Folks, we are waiting for Germany …«
    » West oder East Germany?«, ruft Kristin zurück.
    Antje verdreht die Augen.
    » Superlustig.«
    » Was denn, es gab doch auch Nord- und Südvietnam.«
    » Geteiltes Leid ist halbes Leid«, sagt Harald so schwammig wie ein Politiker.
    » Germany please!« Der Bootsbuddha trappelt auf den Planken hin und her. Er selbst hält das wohl für tänzeln. Schscht, Meister des Mikros, wir beraten uns!
    » Nord- und Südpol, haben die sich eigentlich auch zerstritten?« Kristin kann’s nicht lassen.
    » Moment, das ist doch keine politische, sondern eine geographische Unterteilung …«
    » Harald!« Antje wird laut. » Du musst nicht jeden schlechten Gag erklären!«
    » Ein Gag, ach so. Wenn, also wenn wir hier quasi offiziell unser Land vertreten müssen«, überlegt Harald nun nervös, » dann ist das ja eine nationale Aufgabe, der wir uns nicht so ohne weiteres entziehen können. Als Beamter bin ich doch immer im Staatsdienst …«
    » Hört auf zu labern, hier ist Fun angesagt.« Antje will wohl nicht länger fackeln. » Andi!«
    » Was, warum ich? Dir haben wir doch diesen grandiosen Hauptgewinn zu verdanken!«
    Auch Kristin scheint froh, einen Dummen gefunden zu haben, der nicht sie selbst ist.
    » Los jetzt, Bruder, du warst schließlich im Kindergarten Sprecher der Delfingruppe!«
    Nicht nur die Sonne treibt mir den Schweiß aus den Poren.
    » Das hat doch schon lange keine Bedeutung mehr, schon damals nicht gehabt!«
    » Na also, wenn’s egal ist: Let’s go, Flipper!«
    Der Bootsbuddha weicht nicht von seinem Konzept ab.
    » And now live on stage, give a big applause to the Germans …!«
    Das Boot vibriert, hunderte »Live-Entertainment«-Fans klatschen rhythmisch in die Hände.
    » Ja, nun mach doch.« Jana, du Verräterin.
    Meuterei, das ist Meuterei! Ach verflixt, wie könnte ich jetzt noch zurück? Über Bord springen, diese Option wäre noch jämmerlicher. Ich weiß doch noch nicht mal, mit welchem Song ich mich blamieren muss. In der Schule, ja, da war ich mal Statist bei einer Theateraufführung. Aber das hier ist doch ein ganz anderer Kulturkreis.
    » Hey, hey, hey!«
    Nur in der Badehose stolpere ich nach vorne, die jungen Asiatinnen kieksen. Da legt mir jemand von hinten die Hände auf die Schultern und stupst mich auf die Bühne.
    » Nationale Aufgabe!« Entschlossen blitzt es in seinen Augen. Harald!
    Gut, geteiltes Lied ist halbes Lied. Lässig richtet er seinen Zeigefinger auf den Bühnen-Zampano und bedeutet ihm so, die Musik abzufahren.
    » Damdam …«, jault es aus den kleinen Bassboxen, die mit Seilen um die Masten gebunden sind, wie an einen Marterpfahl.
    Grölen kann ich, klar, beim FC im Stadion, aber Singen doch nicht!
    » Weine nicht, wenn der Regen fällt … damdam …«
    Drafi Deutscher, o Mann, der Interpret ist auch noch doppelt teutonisch! Klar kann ich den Text auswendig, das Lied kann doch jeder mitsingen, obwohl’s einem ja eher peinlich ist. Na, wenigstens versteht uns hier keiner.
    » … es gibt einen, der zu dir hält …«
    Mist, bei der Zeile hätte ich nicht ausgerechnet zum Bootsbuddha schauen sollen. Harald singt viel lauter als ich und schwingt sich zum Refrain auf.
    » Marmor, Stein und Eisen bricht, aber unsere Lie-iebe nicht!«
    Eine dicke Frau, bestimmt Amerikanerin, breitet direkt vor mir ihre schwabbeligen Arme aus.
    » Alles, alles geht vorbei …«
    Von wegen geht vorbei, die bleibt da stehen! Mir ist komplett die Sicht verstellt.
    » … doch wir sind uns treu.«
    Die Dicke umarmt und herzt mich. Hilfe! Harald scheint das Boot jetzt komplett im Griff zu haben. Er bewegt sich nicht sonderlich rhythmisch, dafür umso wilder und schreit ins Mikro.
    » Everybody now …!«
    Die Asiaten haben keine Ahnung, was sie da singen, sie plärren einfach lautstark mit. Als die Musik verebbt, schallt begeisterter Applaus übers Schiff.
    » Coole Performance, Partner. Los, verneigen.« Natürlich, Harald, was denn sonst.
    Er winkt ins Publikum. Langsam verlassen wir die Bugbühne.
    » Schade, dass wir jetzt keinen weißen Bademantel kriegen.«
    » Warum?«
    » Na, so wie Udo Jürgens nach’m Konzert.«
    Unsere Südkurve empfängt uns erstaunlich freundlich.
    » Geht doch«, resümiert Antje, » geht doch.«
    » Bravo!« Jana strahlt.
    » Mensch

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