Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)
beeindruckend. Und diese Stille, dieser Friede, kaum dass ich drinnen war. Nur noch die Kirche und ich.«
Was auch immer er da so besinnlich gesucht hat – vielleicht hat er um Wind gebetet oder einfach die kühlen Mauern genossen –, Sven bleibt mir ein Rätsel. Aber ganz schön clever, wie er heute seine Ruhe gefunden hat!
» Wir gehen eben was essen. Kommst du mit?«, frage ich spontan.
» Danke, ich hab schon.«
Es sind nur wenige hundert Meter bis zum Strandrestaurant, das Licht wird schon diffuser. So nahe am Wasser klingen die Wellen der Brandung musikalisch romantisch, wie das aufbrausende Crescendo in einer Oper.
Jana lächelt, als ich ihr den Stuhl zurechtrücke.
» So gentlemanlike, das bin ich ja gar nicht gewohnt.«
» Bitteschön.« Klar kann ich auch kultiviert. Wenn ich will.
» Sieh an, bist ja doch gut erzogen. Warum ärgerst du dann immer deine Schwestern? Ich hätte gerne mehr Geschwister.«
Ich schaue schnell in die Karte. » Du, im Grunde sind wir sechs Einzelkämpfer …kinder …, nur eben von derselben Mutter. Ich mein, die ärgern doch mich! Ich wehre mich nur.«
Der Kellner unterbricht mich, ich bestelle fix eine Flasche Rotwein.
» Trotzdem, ich bin ein Familienmensch.«
» Deine Schwestern hast du heute Morgen beleidigt …«
» Einer muss es doch tun!«
» Andi, benimm dich …«, sagt Jana grinsend.
Um nicht darauf antworten zu müssen, blättere ich in der Karte.
» Wahnsinn, die haben auch Pizza!«
» Hast du dich schon entschieden? Ich glaube, ich nehme den Fisch des Tages oder die Garnelen. Die überbackenen Tortellini klingen auch echt lecker.«
Jana kann sich nicht entscheiden. Gut. Das zeigt ja, dass sie flexibel ist. Hauptsache, sie hat nicht so viele Sonderwünsche wie meine Exfreundin. Kim bestellte sich immer Hamburger ohne Gurkenscheibe oder Putenbruststreifen ohne Salat. Als ich darauf mal unwirsch reagierte, hat sie sich prompt ein blutiges Steak kommen lassen. Als Beilage.
» Huhuu! Ach, ihr seid auch hier?« Muttis Stimme erkenne ich aus jeder Entfernung.
Mit Antje und Kristin im Schlepptau, natürlich. Diese Kletten. Noch zehn Meter bis zum Familien-Gau. Ich will doch einfach nur in Ruhe mit Jana essen.
» Wir setzen uns hier drüben hin. Tut einfach so, als wären wir nicht da.«
Meine Schwestern brauchen gar nichts zu sagen, ihre Mimik spricht für sich: So sieht geschwisterliche Schadenfreude aus.
» Er hilft ihr beim Reisebericht«, erklärt Mutti Antje und Kristin.
» Sischer dat«, sagt Kristin in jovialem Kölsch.
» Winner!«, lacht Antje.
Als sie sich setzen, ruft Mutti noch einmal gegen die Brandung an.
» Viel Erfolg beim Bericht, Jana! Ich habe auch den ganzen Tag Postkarten geschrieben.«
» Was für ein Bericht?«, flüstert Jana mir zu und lächelt freundlich über die Tische hinweg zurück.
» Du, keine Ahnung. Sie hat den ganzen Tag in der Sonne gesessen …«
Der Kellner gießt ein und will mich den Rotwein probieren lassen. Mit einer Handbewegung signalisiere ich ihm, dass er die Gläser gleich fluten soll. Alkohol ist der Tropfen, der jeden gelungenen Abend schmiert. Oh gut, den Spruch sollte ich mir für meine PR -Kollegen aufheben. Hehe, und Jana muss ja nicht unbedingt nüchtern bleiben.
» Sieht lecker aus, der Rotwein. Auf dich!«
» Auf uns. Und auf deine Bühnenperformance.«
Mit einer eleganten Armbewegung serviert uns der Kellner die Gerichte.
Verwundert fällt mir auf, dass ich gerade keinen Grund zu meckern habe. Allerhand. Ich blicke aufs Meer, in dem sich das Spiegelbild des Vollmonds wälzt. Das ist wahre Romantik. Also, wahre Romantik für Menschen, die bereits satt sind. Darum wird mir noch wärmer ums Herz, als ich den leuchtenden Kreis auf meinem Teller ansehe: Pizza!
» Ich bin im Himmel!«
» Du bist unmöglich, du denkst nur ans Essen!« Lachend stibitzt sich Jana eine Olive.
» So schlimm?«
» Ich kann mich nur wundern. Männer! Ich wette, du kannst dein Meermärchen, bei dem uns Harald am Pool unterbrochen hat, nicht weitererzählen, ohne dass es darin irgendwas zu futtern gibt.«
» Doch, wohl! Wo war ich stehen geblieben … ach ja, die Meerjungfrau und Neptuns Sohn sind abgetaucht und am Meeresgrund angelangt.«
Eine Weile schauen sie schweigend in die makellosen Himmelslichter. » Willst du mir nicht einen Stern vom Himmel holen?« Die Meerjungfrau blickt ihn fragend an, naiv fast.
» Die Sterne, die begehrt man nicht, man freut sich ihrer Pracht«, zitiert der Wassermann
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