Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)
beim Packen die Beine erst raushängen lässt, Bücher und Blusen dazwischenlegt und dann erst die Hosen umschlägt. Ach, da ist ja auch mein Nagelfeilen-Set.«
Wenn meine Mutter so vor sich hin brabbelt, weiß ich manchmal nicht, mit wem sie spricht. In diesem Fall schwanke ich zwischen: mit mir, mit sich selbst – oder mit dem Koffer.
Zustimmung kann jedenfalls nicht schaden.
» Ja, Mutti.«
» Sag ich doch. So, ich mache mich jetzt erst mal frisch.«
Mit einer Cola knalle ich mich aufs Bett. Mutti ist schon goldig, man muss sie einfach mögen. Und wenn sie mitunter etwas schrullig wirkt, dann macht sie das eigentlich nur noch liebenswerter.
Ich bin wohl kurz eingenickt und schrecke hoch, als es an der Tür klopft. Mutti öffnet.
Kristin steht im Türrahmen. » Mutti, die Antje hat meinen Conditioner leer gemacht!«
» Deinen was?«, frage ich.
» Conditioner. Für sonnenbeanspruchtes, blondes Haar.«
Sie macht zwei Schritte ins Zimmer und wundert sich. » Ts ts, deine Klamotten liegen überall rum. Mutti, Zimmer aufräumen!«
» Ich muss neu packen, mein System ist durcheinander.«
Kristin nickt unbeteiligt und plant bereits weiter.
» Was is’n mit Abendessen? Janas Tipp?«
» Au ja, lasst uns wieder ihrer Empfehlung folgen!« Mutti klatscht in die Hände.
» Seid ihr denn auch schon fertig?«, erkundigt sich Kristin.
Theatralisch greife ich mir in die kurzen dunklen Haare. » Ja, weil ich nicht blond bin.«
» Ich packe später weiter«, sagt Mutti und greift nach ihrer Handtasche.
Tatsächlich, Janas Vorschläge für lokale Küchen sind bisher immer ganz nach meinem Geschmack gewesen. Und weil wir uns in der Metropole Saigon noch nicht auskennen, kommt es doch gelegen, sich nach Sonnenuntergang nur eine Querstraße vom Hotel entfernen zu müssen. Ich bilde das Schlusslicht unserer Gruppe.
Pfannkuchen als Abendessen sind Janas Idee, warum nicht. Außerdem sind sie die Spezialität des Lokals, das recht improvisiert erscheint. Es ist zweckmäßig von Wellblech überdacht, und die Eingangsfassade hat keine Fenster, steht daher komplett offen. Die feuchtwarme Luft zieht nicht ab, sondern hängt träge und drückend über den Tischen.
» Bier her, Bier her, oder ich fall um!« Walter blödelt der Kellnerin den Refrain des deutschen Volksliedes entgegen.
» Ich würde umfallen, wenn ich jetzt eins trinken würde.« Vera wischt sich den Schweiß von der Stirn und bestellt eine Literflasche Wasser.
Langweilig, die haben wir in diesem Urlaub schon haufenweise geleert.
Als auch das Essen auf den Tisch kommt, blicke ich enttäuscht auf meinen Teller. Das ist doch kein Pfannkuchen! Das ist ein triefend fettiger Teigmantel, zu kross und nur mit Sojasprossen gefüllt. Diese Kost verstehe ich nicht und ist beim ersten Biss auch nicht gerade lecker. Ich lasse mir erneut die Karte kommen. Auch Walter, Kurt, Harald und Sven schauen hinein.
» Seid ihr etwa nicht satt?«, wundert sich Jana.
» Hallo!? Was verstehst du eigentlich von Männern?« Ich werde unleidlich. Wie immer, wenn ich unterfuttert bin. Sie sollte doch wissen, dass Männer anders essen als Frauen. Eben mehr!
» Ist doch wahr.« Antje mischt sich ein. » Einfach mal nur ’n Salat ist auch okay.«
» Antje, sag mal Gulasch.«
Sie winkt genervt ab.
» Antje, Gulasch …«
Eine halbe Stunde und eine volle Portion Nudeln mit Hühnchen später sacke ich auf meinem Plastikschemel zusammen. Nun ja, das war jetzt eher Reinstopfen als Genießen. Glücklich, weil pappsatt, zwinkere ich Jana zu. Sie schaut nicht gerade begeistert zurück, so als wäre ich das Krümelmonster und die Kekspackung leer.
» Toll, Andi, jetzt kannst du sicher super schlafen. Das ist dir doch so wichtig«, sagt sie schnippisch und steht auf. » Wer kommt schon mit zurück? Vergesst nicht, morgen treffen wir uns um 8 Uhr an der Rezeption.«
Sie soll mal nicht so rumzicken, das mag ich gar nicht! Muffelig trotte ich den anderen hinterher zum Hotel. Antje schaut schadenfroh über ihre Schulter.
» Die einen machen den Conditioner leer, die anderen ihren Teller!«, schnaube ich sie an.
Weil der Lift außer Betrieb ist, muss ich mich die Stufen hochschleppen. Auf unserer Etage läuft Walter eine Tür weiter, steckt seinen Schlüssel ins Schloss, hält noch mal inne und grinst mich kumpelhaft an.
» Wenn ich den Tag heute so Revue passieren lasse, Andi … was verstehst du eigentlich von Frauen!?«
Ich schlucke.
» Gute Nacht«, wünscht er und verschwindet im
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