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Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)

Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)

Titel: Muscheln für Mutti: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Dörr
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ohne uns zu fragen, ob wir ihr Gequietsche überhaupt ertragen wollen. Sie stört mich so gewaltig, ich muss es ihr mitteilen.
    » Are you crazy!?«
    Die Tommy-Tante glotzt mich blöd an. Da hilft nur aufessen und nichts wie raus.
    Hinter dem Lokal erstreckt sich eine Tierzucht, ein Kiesweg führt zu einem eingezäunten Wasserloch, an dem gut dreißig Krokodile wie erstarrt liegen.
    Kristin schwant, dass mit ihnen die Speisekarte bereichert wird. » Nee, ne, die kommen doch nicht auch noch auf den Grill?«
    » Sogar auf den Schwenkgrill. Wie Spanferkel!«, flachst Walter.
    » Nein«, erklärt Kurt, » sie werden zu Handtaschen umgestaltet. Und wer kauft die dann …?« Mahnend sieht er seine Frau an.
    » Kurt, wenn du weiter so einen Blödsinn über mich erzählst, verarbeite ich dich zu Lederstiefeln. Und zwar zu den ganz billigen, die nur Tussis tragen.«
    Mutti klatscht in die Hände. » Sind die beiden nicht köstlich?«
    Ich öffne ein kleines Gatter, das zu einem überdachten Bärenzwinger führt.
    Kristin lässt durchblicken, dass sie früher gerne mit Teddys gespielt hat. » Ah, eine vom Ausstopfen bedrohte Tierart.«
    Zwei schwarze Kragenbären kauern beengt auf dem dunklen Boden. Der eine streckt uns seine Tatzen entgegen, der andere trottet ruhelos hin und her.
    Harald punktet wieder mit seinem Wissen: » Einmal im Monat wird ihnen Flüssigkeit aus der Gallenblase abgezapft. Die ist als Medizin in China sehr gefragt.«
    Diese blöden Chinesen. Die sind nicht nett zum Dalai Lama, vergnügen sich mit deutschen Reiseleiterinnen, und jetzt auch noch das hier!
    Jana hält eine Hand an die Gitterstäbe.
    » Sie schauen so traurig«, sagt sie leise.
    » Dafür kriegen sie im Bärenhimmel bestimmt ihren eigenen Spielplatz«, bemerke ich mitfühlend.
    Jana hat es gehört, schaut aber stur geradeaus. Schade. Da steht sie, felsenfest, der Glanz meiner Gedanken. Das ist nicht übertrieben, das ist … o Mann, ich habe Fracksausen, wie ein Pinguin beim Eintauchen ins Meer. SOS !
    Sie hat sich vom Zwinger gelöst, schlendert zu Vera. Ich folge Jana einige Schritte, um sie belauschen zu können.
    Sie zupft sich am Ohrläppchen. » Manchmal komme ich mir auch so vor. So gefangen, Vera, so rastlos. Dabei müsste ich doch eigentlich langsam wissen, was ich will. Und was nicht. Tja, das sollte ich wohl auch, mit 34.«
    Vera lächelt. » Ich mag dich so, wie du bist«, sagt sie sanft. Vera ist wirklich eine sehr jung gebliebene Seniorin. » Wie schätzt du Andi ein?«
    Volle Deckung! Die alte Schachtel hat mich enttarnt.
    » Weiß nicht«, sagt Jana. Gut, sie überlegt. Das Eis zwischen uns ist gebrochen! » Der fehlt mir gerade noch zum Glück.« Äh, eingebrochen?
    Vera hat mich durchschaut und verraten! Nun weiß Jana also, dass ich auf sie stehe. Zumindest passiv, weil ja nur von Vera. Besser wäre natürlich, wenn Jana es von mir wüsste. Aber was, wenn sie nichts von mir will? Das wäre ja denkbar, theoretisch. Und was, wenn sie nicht nur mit Vera über mich redet?
    » Es geht weiter!«, ruft Jana.
    » Hey, Andi, willst du nicht wieder einen schlauen Spruch machen?« Sven rückt sich provozierend die Sonnenbrille zurecht.
    » Du sollst die Selbsthilfegruppe zurückrufen«, knurre ich und steige in den Bus.
    Walter läuft durch den Mittelgang und verteilt den Schokokuchen, den wir ihm am Morgen geschenkt haben.
    » Wer am meisten krümelt, gewinnt!«
    Dann bläst er in eine Blechtröte und setzt sich für die restliche Rückfahrt ein Partyhütchen auf, eben ganz 68-jähriges Geburtstagskind.
    Im Hotel angekommen, eile ich zurück ins Zimmer. Ich habe Durst, bereits vor zwei Stunden im Bus ist mir das Wasser ausgegangen. Verflixt, ich dachte, ich hätte noch eine volle Flasche neben dem Bett.
    » Ich hole neues Wasser!«, rufe ich Mutti entgegen, als ich die Treppe wieder runterlaufe. Ein kleiner Shop verkauft es zum Glück gleich um die Ecke.
    » Xin Chào!« Ein Cyclo-Fahrer auf der Straße grüßt mich mit dem vietnamesischen »Hallo«. Seinen Chauffeur-Dienst benötige ich nicht, aber mir selbst würde Bewegung guttun. Also signalisiere ich ihm, vorne Platz zu nehmen, stelle die Wasserflaschen zu seinen Füßen und schwinge mich in den Sattel. Meine Beine sind zu lang für das kleine Rad, die Knie stoßen an die Lenkstange, ich muss mich verrenken, um in die Pedale treten zu können.
    » Oléolé!« Mein Fahrgast scheint irgendwie stolz zu sein, und entsprechend macht er auch auf uns aufmerksam.
    Backpacker

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