Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)
fotografieren uns, Einheimische lachen. Der dichte Verkehr verlangt meine volle Konzentration. Die Mopeds überholen mich auf beiden Seiten.
» Andi, hey!« Jana?
Jana! Vollbremsung an den Straßenrand! Der Cyclo-Fahrer schießt nach vorne auf den Bürgersteig.
» Ojeoje …«, stöhnt er.
» Thank you.« Ich steige ab und gebe ihm einen Dollar.
Jana, tatsächlich, sie steht am Straßenrand. Wie eine Blume, die wild blüht.
» Warum gibst du ihm Geld? Du bist doch gefahren.«
» Ach ja … äh … stimmt.«
» Bist du durcheinander?«
Meine Beine und mein Kopf, die ja. Nicht dagegen mein Verstand.
» Och, geht schon. Ich …« Ich sollte ihr sagen, dass ich ihr Date gestern nicht in Ordnung fand. So nicht, bitteschön, schon gar nicht mit mir.
Ich strecke mich. » Also ›made in China‹, ne, das spricht ja nicht gerade für Qualität.«
» Was meinst du?«
» Na hier, der Chi-ne-se.« Ich betone jede Silbe. » Der dir letzte Nacht gezeigt hat, wo’s langgeht.«
» Bitte!?«
» Mir brauchst du nichts vormachen. Außerdem, ha, ist doch klar, woher der sein vieles Geld hat: lässt Kinder arbeiten und produziert billige Navis. ›Schöne Europäerin, an der nächsten Ausfahrt fahren wir ab – ins Hotelbett. Sie haben ihr Ziel erreicht …‹« Mit dem linken Arm mache ich eine ausladende Geste.
» Sag mal, hast du sie noch alle?!« Erbost stützt Jana ihre Fäuste in die Seiten. » Da denke ich gerade, wir können mal gemütlich ohne die anderen ’n Kaffee trinken gehen – und dann kommst du mir mit so einem Schwachsinn!«
» Aber du warst doch gestern, ich mein …«
» Ja richtig, ich hatte frei! Und ich habe eine ehemalige Teilnehmerin besucht, die sich auf einer früheren Reise in einen Vietnamesen verliebt und ihn geheiratet hat!«
Na, wenigstens keinen Chinesen.
Jana nimmt sich eine meiner Wasserflaschen, die ich an der Straße abgestellt habe, dreht den Plastikverschluss auf und schüttet mir die halbe Pulle über den Kopf.
» Wenn du nicht klarer wirst im Kopf: einfach nachkippen!«
Sie drückt mir die Flasche in die Hand und läuft schnurstracks Richtung Hotel. Wie impulsiv sie werden kann … toll.
» Ah, European Shower?«, fragt mich ein älterer Asiate interessiert.
Offensichtlich hat er die Duschszene beobachtet.
» Yes, yes, we like to shower outside«, antworte ich.
Mechanisch kippe ich auch das restliche Wasser über mir aus. Jetzt nickt er zufrieden.
Der Rechner im Hotelfoyer braucht etwas, bevor er die Seite hochgefahren hat. Der Check meiner Mails geht umso schneller. 13 neue Nachrichten. Ausschließlich Junkmails, die verfolgen einen aber auch überallhin.
Ich stütze meine Stirn kurz mit den Zeigefingern, bevor ich meinem Freund Markus nach Köln schreibe. Männlich knapp, so läuft das unter uns.
Hi, alles klar? Urlaub mit Familie geht gar nicht! Habe dafür meine Traumfrau kennen gelernt. Sie weiß es nur noch nicht, weil ich zu dämlich bin, es ihr richtig zu zeigen. Dabei sind wir nur noch acht Tage unterwegs. Übrigens, meine Sprüche kamen auch schon mal besser an.
Sonnige Grüße, Andi
Markus ist so ein guter Freund. Manchmal, während ich mit meiner Exfreundin geschlafen habe, habe ich daran gedacht, wie wir im Sandkasten große Burgen bauten.
Vor dem Bildschirm neben mir japst eine Backpackerin. Sie stiert auf eine News-Seite im Internet, ihr Englisch klingt aufgewühlt.
» Bei uns in Australien gibt es im Norden viele Tote wegen Überschwemmungen, im Süden sterben Menschen wegen Buschbränden!«
Ich nicke ihr mitfühlend zu. Tja, die Mischung macht’s, versteh einer die Klimawelt.
Da eilt Jana die Treppe herunter. Ich sollte etwas Aufmerksames sagen!
» Und … hattest du einen schönen Tag?«
» Wir hatten doch denselben.«
Sie rauscht an mir vorbei zum Ausgang.
» Äh, Jana, ich …«
Raus. Sie ist einfach zur Tür raus. Tja, versteh einer die Frauenwelt.
Jetzt schaut mich die australische Backpackerin mitfühlend an. » Auch schlechtes Wetter?«
» Eiseskälte.«
Dann gehe ich eben ins Bett, selbst wenn es für einen Rückzug noch zu früh ist. Tja, man sollte nicht nur auf die Uhr gucken, sondern auch auf die Zeit achten. Und meine scheint heute definitiv abgelaufen.
Oben am Treppenabsatz höre ich Geräusche, eindeutige Geräusche aus dem ersten Zimmer links. Tonis Zimmer, natürlich. Der Kerl ist aber auch ein Mädels-Magnet! Unfassbar, wie macht er das nur? Ich sollte ihn einfach fragen! Jetzt. Das heißt … gleich.
Hört, hört,
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