Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)
hier.
Weil’s leckerer riecht als in einer Kantine und ich auf andere Gedanken kommen will, bestelle ich direkt drei Gerichte auf einmal.
» Deine ständige Fresserei geht mir langsam auf die Nerven«, tadelt Mutti.
» Ach komm«, sage ich relativierend, » so lohnt sich wenigstens das Hinsetzen.«
Jana ist also verabredet. Hm, mit wem denn!? Das ist aber auch alles kompliziert und durcheinander. Meine Gehirnwindungen kommen mir vor wie ein Wollknäuel. Naja, vermutlich trifft Jana die letzte Kaiserin. Bestimmt tauschen sie sich über die bedeutende Historie von Saigon aus. Oder Kochrezepte.
» Reichst du mir mal das Salz?« Bitteschön, Mutti.
Sven sitzt auch nicht mit am Tisch. Egal. Moment, wenn Jana nun ihn trifft? Nicht egal! Nein, kann eigentlich nicht sein, warum sollte sie das, seine traurige Gestalt sieht sie ja den ganzen Tag. Und wenn doch? Mist. Oder Jana hat hier eine Affäre. Einen Liebhaber, mit dem sie auf der Durchfahrt immer Sex hat? Schmutzigen Sex. Wie ein Matrose, der in jedem Hafen … So wie Toni. Toni?! Wenn sie nun ihn … ach was, Andi, also jetzt wird’s wirklich albern.
» Andi, auch ein Bier?«
» Was? Ja, Walter. Besser zwei bis drei.«
» Andi!«
» Ich bin volljährig, Mutti!«
Ich könnte natürlich Vera fragen, ob sie mehr weiß. Das wäre aber plump und ziemlich direkt. Unschlüssig schaue ich sie an.
» Nein, Andi, ich weiß nicht, mit wem«, sagt Vera mit gedämpfter Stimme.
Frauen riechen es, wenn man angeschlagen ist! Wie machen sie das nur?
Ich versuche, meine Stimme möglichst gleichgültig klingen zu lassen. » Schön, schön für sie. Bisschen Abstand von uns muss ja auch mal sein. Ich hätte auch gerne mal Ruhe vor mir. Haha.«
Vera sieht mich durchdringend an. Wortlos. Sie durchschaut mich, scheint mehr zu sehen als ein Röntgengerät.
Auf einmal fühle ich mich wie in einem Film. Genau in der Szene, in der jemand im Restaurant etwas Peinliches gesagt hat und auf einmal ringsum alle schweigen. Harry & Sally lassen grüßen. Warum nur habe ich gerade das Gefühl, dass alle mich angucken? Ich habe doch gar nichts gemacht!
Ich flüchte mich in die Lektüre der Dessertkarte. Es könnte natürlich auch sein, dass Jana gerade einen anderen Reiseleiter datet. Womöglich ihren Ex, mit dem sie gerade schlechte Erinnerungen gegen gute eintauscht! Oder noch schlimmer: Es ist ein reicher Chinese. Man hört ja immer wieder davon, dass die sich mit ihrem Geld junge Dinger anlachen: Schau mir in die Schlitzaugen, Kleines. Als wenn die nicht mehr als genug Frauen im eigenen Land hätten. Und einer von denen lässt vor Jana gerade die Hose runter. Mensch Jana, Hände weg von seiner Gelbwurzel!
» Schmeckt nicht sonderlich.« Ich stelle die Bierflasche nach dem ersten Schluck zur Seite.
Vielleicht sollte ich einfach noch eine Runde durch den Ort laufen. Nur mal eben nach dem Rechten sehen, nur mal eben checken, wo … na … wo was los ist. Wenn ich schon mal hier bin. Ist klar. Ich glaube mir kein Wort.
Was soll ich nur tun?
Attacke, Andi!
Mittwoch, 11. Februar
LIEBER OHNE SOCKEN ALS MIT STÜTZSTRÜMPFEN C
Der Tag beginnt mit Regen, der sich durch den ganzen Mittwoch zieht. Genau wie Walters Geburtstag. 68 Jahre wird der Rentner-Rowdy, ich umarme ihn im Bus.
» Herzlichen Glückwunsch! In dem Alter will ich auch so drauf sein wie du.« Wirklich, das muss man erst mal hinkriegen, so zeitlos frisch zu wirken. Ich schaue an ihm hinunter und feixe. » Zur Feier des Tages barfuß in Sandalen, hossa!«
» Tja, lieber ohne Socken als mit Stützstrümpfen.«
» Respekt Walter, gegen dich bin ich gerade mal recht rüstig.«
» Danke dir. Und jetzt mach endlich den Durchgang frei.«
Wir fädeln uns früh in den Sog der Straßen ein. Der Verkehr schiebt sich gegen 7 Uhr nur stockend voran. Als Jana durchzählt, spreche ich sie einfach an.
» Hi, ich hatte ja gestern auch einen tollen Abend.«
» Guten Morgen, aha, schön, 7, 8…«
» Und, äh, wie lief’s bei dir so?« Eigentlich will ich das gar nicht so genau wissen.
» … 11, alle da. Gut war’s, ich habe eine spezielle Beziehung zu Saigon. Diese Schaukelei, ich falle gleich um. Du, ich setz mich mal besser vorne hin.«
Eine spezielle Beziehung zu Saigon? Oder in Saigon!? Wer weiß, wo sie geschlafen hat.
Und mit wem!
Über eine Stunde später parkt unser Bus als Erster vor den Cu-Chi-Tunneln. Toni ist sichtlich stolz auf dieses Höhlensystem nordwestlich von Saigon.
» Der Vietcong nutzte die Tunnel, um
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