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Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)

Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)

Titel: Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Falke
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Reiterei. Das Römische Reich war ein Vielvölkerstaat, wo libysche Legionen in Gallien standen und ägyptische Söldner in Britannien Dienst taten. In den germanischen Wäldern verbluteten Italiener neben Griechen, Lusitaniern und Parthern. Griechische Berufssoldaten waren in allen Heeren der Antike anzutreffen, ebenso wie Schweizer Söldner in den Armeen der frühen Neuzeit. Die Große Armee bestand zum kleinsten Teil aus Franzosen. An der Beresina krepierten auch Österreicher, Bayern und Sachsen, und die Völkerschlacht wurde entschieden, weil deutsche Truppen die Front wechselten, die nicht mehr einsahen, warum sie auf deutschem Boden auf andere deutsche Söldner schießen sollten.
    Im Osten kämpften später Finnen, Ungarn, Slowaken, Rumänen und Italiener an der Seite der Wehrmacht, und in internationalen Divisionen stellten sich Spanier, Schweizer, Schweden und Franzosen dem Bolschewismus entgegen. Man schickt die Hilfsvölker gerne an die vorderste Front oder dorthin, wo die meisten Verluste erwartet werden, um die eigenen, regulären Truppen zu schonen. Der Leichtfertigkeit, mit der der Feldherr fremde Mannschaften opfert, korrespondiert hierbei das Wissen um ihre Unzuverlässigkeit. Die Schlacht um Endor kostete einige tausend Ewoks das Leben. Als die Rote Armee bei Stalingrad durchbrach, wählte sie die Frontabschnitte, die von rumänischen und italienischen Verbänden gehalten wurden. Darin liegt auch die Gefahr der Auxiliares. Der Verlauf der Völkerschlacht ist hierfür exemplarisch. Im Weltkrieg wechselten Finnen, Rumänen, Bulgaren, Slowaken und Italiener die Front. Noch bevor das Alexanderreich zu Diadochenstaaten zerbrochen war, sagten sich einzelne Provinzen wieder von der Zentralmacht los. Der blutige und verlustreiche Guerillakrieg in Baktrien war nötig, um den Anspruch auf den babylonischen Thron auch in der Peripherie zu legitimieren. Und selbst nach Indien drangen die Nachrichten von Statthaltern und Satrapien, die sich dem fernen Imperator nicht mehr beugen wollten und die durch Strafexpeditionen zurück ins Joch gezwungen werden mussten. Napoleon musste nach jeder größeren Schlacht zurück nach Paris eilen, um Verschwörungen zu begegnen und Putschen vorzubeugen. Zwischen dem Freiheitswillen der unterworfenen Völker und der Machtgier seiner engsten Vertrauten ist der Imperator eingespannt wie zwischen Szylla und Charybdis. Er kann nicht gleichzeitig Kontinente und seine Umgebung beherrschen, und so erleidet er entweder das Schicksal Caesars oder das Napoleons. Er gleicht dem Hasen, der wie zwischen den beiden Igeln zwischen den Massen angeworbener Heere und den Vorgängen in heimischen Kabinetten zu Tode gehetzt wird. Und er wird zu einem Sisyphos, der von dem Gipfel vollkommener Machtfülle träumt und von dem Stein menschlichen Beharrungsvermögens überrollt wird.
     
    *
     
    In den nächsten Tagen gewöhnten wir uns an das Leben, eingebettet in den sozialen Organismus der Tloxi. Wir hausten wie Symbionten in Ameisenvölkern, die von ihren kollektiven Wirten gepflegt wurden und die man von einem Winkel des Baus zum anderen transportierte. Man ernährte und versorgte uns nach Kräften. Taylors Wunde, die äußerlich verödet worden war, vernarbte allmählich. Die Schmerzen ließen nach. Stattdessen narrten ihn Phantomschmerzen.
    »Es ist doch zu dumm«, sagte er. »Ich hatte mich gerade an die Prothese gewöhnt und sie wie eine eigene Extremität zu handhaben gelernt. Jetzt kann ich wieder von vorne anfangen.«
    Wie das aussehen sollte, stand allerdings dahin. Die Tloxi versprachen zwar, für Ersatz zu sorgen. Aber das schien sich schwieriger zu gestalten, als sie selbst angenommen hatten. Jedenfalls wurde der arme Taylor von einem auf den anderen Tag vertröstet. Auf Lambert gestützt, da es ihm schwer fiel, das Gleichgewicht zu halten, humpelte er in den Lagern herum, die die Tloxi uns anwiesen und die jede Nacht andere waren. Denn um auf Nummer sicher zu gehen, schliefen wir nie zweimal hintereinander an demselben Ort. An jedem Abend warteten wir die Dämmerung ab. Dann schlichen wir uns ins Freie. Eine Abordnung der Tloxi eskortierte uns. Manchmal ging es nur auf die andere Straßenseite. Manchmal wurden uns aber auch mehrstündige Fußmärsche abverlangt, die bei völliger Dunkelheit durch chaotisches Gelände führten. Wir durchquerten riesige Industriebrachen, stapften stundenlang durch Kieswerke, Kohlehalden oder an Silos mit flüssigem Elastil entlang. Wir kämpften uns durch

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