Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)
zusammengebrochene Fabriken und durch die splitterübersäten Hallen stillgelegter Hangars. Manchmal nächtigten wir in winzigen Verschlägen, die sich irgendwo in den Fundamenten einer ehemaligen Synthesestation befanden, mal in riesigen Unterkünften. Manchmal waren es nur zehn oder zwölf Tloxi, die uns begleiteten und die dann unseren Schlaf bewachten, manchmal tauchten wir in Massenquartiere ein, deren Belegung nach Millionen zählen musste. Nicht alle nächtigten in so düsteren Hallen wie der, auf die wir zufällig zuerst gestoßen waren. Es gab auch kasernenartige Gebäude aus roter Ziegelmasse. Dort hauste die überwiegende Mehrzahl der Tloxi. Trutzige Mauern aus schmutzigroten Steinquadern umgaben diese Schlafstädte. Durch wuchtige Tore drang man ein und unterquerte die Außenmauern in Tunnels, die fünfzig und mehr Meter lang sein konnten und uns eine Vorstellung von den Fortifikationen vermittelten, hinter die die Tloxi sich in ihrer freien Zeit zurückzogen. Im Inneren öffneten sich endlose Abfolgen von Innenhöfen, zwischen denen ebenso zahllose Flügel lagen. Jeder Flügel war sechs Stockwerke hoch, und in jedem Stockwerk gab es hundert von Fenstern. Allerdings war es ein Fehler, als wir aus der Anzahl der Fenster auf die dahinter verborgenen Zimmer zu schließen versuchten. Denn als wir eine dieser Massenunterkünfte betraten, landeten wir in riesigen Schlafsälen, wo drei- und viergeschossige Stockbetten dicht an dicht standen. Auf jeder der schmalen Pritschen lag ein Tloxi und »regenerierte«. In einem einzigen dieser Säle waren es tausende, und die Anzahl der Säle, bzw. der Flügel dieses verschachtelten Gebäudekomplexes war nicht annähernd zu überschlagen. Es war eine gigantische schlafende Macht, die darauf wartete, geweckt zu werden.
Ein ganzer Ring solcher Kasernenstädte lagerte sich um das Zentrum von Sina City. Große Hauptverkehrsstraßen und kilometerlange gläserne Beförderungsbänder führten zum Stadtkern. Allmorgendlich machten sich unübersehbare Trauben auf den Weg dorthin, und am Abend kehrten sie wieder zurück. Alles ging mit einer schweigsamen Automatik vonstatten. Sie plauderten nicht, sie unterhielten sich nicht. Eine vollkommene Stille herrschte in den Schlafsälen, während sie sich für die Nacht zurechtmachten. Eine furchtbare melancholische Einsamkeit webte um ihr reibungslos funktionierendes Leben. Sie hatten weder Namen noch Nummern. Aber sie mussten doch bestimmte Arbeitsplätze haben. Und wie stellten die Aufseher ihre Identität fest? Oder begnügten sie sich, wenn die festgesetzte Zahl zum Dienst erschien? Waren sie alle für alle Arbeiten geeignet, die in dem riesigen Staatswesen anfielen? Immerhin handelte es sich um eine intergalaktische Zivilisation, die hunderte von Welten kontrollierte. Aber wir entdeckten nichts, was darauf hindeutete, dass die Tloxi bestimmte Ausbildungen durchliefen oder für bestimmte Tätigkeiten spezialisiert waren. Sie kannten kein persönliches Eigentum und keinen Charakter. Stets hatten sie nur bei sich, was sie am Leib trugen. Die blaue, sackleinenartige Uniform und grobe schwarze Schuhe. Tagsüber blieben einige von ihnen in den Unterkünften, die dort nach dem rechten sahen, zerschlissenen Bettdecken erneuerten, Fensterscheiben austauschten und die Beleuchtungsanlagen warteten. Wo wir anwesend waren, blieb außerdem eine kleine Schutztruppe zu unserer Bewachung kommandiert. Fehlten diese nun nicht an den Arbeitsstellen? Wurden sie durch andere ersetzt? Wie regulierten die Tloxi ihre Anzahl? Pflanzten sie sich fort, oder wurden sie in Fabriken gebaut? Am Ende von ihresgleichen? Je länger und intimer wir mit ihnen zusammenlebten, umso rätselhafter wurden sie uns. Unsere Anwesenheit wurde überall mit großer Selbstverständlichkeit hingenommen. Wir wurden nirgends vorgestellt. Wohin wir auch auf unserer Wanderung durch die Vorstädte und Industriereviere von Sina City kamen, überall schien man uns schon zu kennen und von unserer Existenz zu wissen. Man nahm keine besondere Notiz von uns. Wir hatten das Gefühl, dass das Leben in den sauberen und todlangweiligen Quartieren seinen gewohnten Gang ging. Aber wenn wir etwas benötigten, war es zur Stelle, kaum dass wir unseren Wunsch ausgesprochen hatten. Manchmal kam es uns so vor, als genüge es, an etwas zu denken, dann wurde es beschafft.
Stets gab es einen Ansprechpartner, der sich um uns kümmerte und der uns Rede und Antwort stand, wenn wir einen weiteren hoffungslosen
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