Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)
Taylors Knochenstumpf verbunden. Als sie von ihm abließ, rollte er zur Seite und wäre beinahe auf die Wunde gefallen. Immer noch tat er sich schwer damit, das Gleichgewicht zu halten. Selbst im Sitzen kam es vor, dass er einfach umkippte. Lambert hatte ihn aber geistesgegenwärtig aufgefangen. Indem sie sich zur rechten neben ihn setzte, lehnte er sich gegen sie, bettete den Kopf auf ihre Schulter und schloss erschöpft die Augen.
»Ich wollte mich mit dem linken Arm abstützen«, sagte er resigniert. »Es geht einfach nicht in meinen Schädel, dass da nichts mehr ist.«
Jill flößte ihm Wasser ein. Er schlürfte geräuschvoll einige Schlucke, ohne die Augen zu öffnen.
»Du musst tapfer sein«, meinte Lambert und streichelte seine Wange, auf der sich ein dichter schwarzer Bart gebildet hatte.
Ich tauschte einen bedenklichen Blick mit Jennifer. Taylors Zustand gefiel mir nicht. Der nackte Knochen ragte aus seiner Wunde hervor, die immer wieder aufbrach und zu eitern begann. Er war abgemagert, von Schmerzen und Gleichgewichtsstörungen gemartert. Nachts fand er kaum Schlaf. Unsere Morphiumvorräte waren aufgebraucht. Es gab nichts, was wir für ihn tun konnten. Die Tloxi vertrösteten uns. Wenn er einige Tage der Ruhe gefunden hätte. Aber jede Nacht stolperte er, von Lambert an der Hand geführt, durch Trümmerlandschaften und schlich durch unübersichtliche Industriebrachen.
Jennifer hatte recht. Wir mussten nach vorne blicken und einen Plan entwickeln, wie es weitergehen sollte. Die Tloxi konnten uns verstecken und ernähren. Aber weiterhelfen konnten sie uns nicht. Und auf Rettung von außen brauchten wir nicht zu warten. Wir mussten unser Schicksal selber in die Hand nehmen. Allerdings waren wir nur noch zu zweit. Lambert war durch Taylor in Anspruch genommen, und er selbst war ein Invalide, der sich kaum noch auf den Beinen halten konnte.
»Das sinesische Imperium ist ein Koloss auf tönernen Füßen«, sagte Jennifer düster. »Ein gezielter Stoß an der rechten Stelle, und alles fällt in sich zusammen.«
Ich konnte nicht darum herum, ich musste sie auslachen. »Deine Prana-Bindu-Ausbildung in allen Ehren, aber diese Aufgabe ist wohl selbst für dich eine Nummer zu groß!«
Sie lächelte versonnen. »Es ist alles eine Frage des Winkels«, meinte sie leise. »Wenn der Hebelarm stimmt, kann man vieles ausrichten. Wir haben, mit lächerlichem Kaliber, Jupiters Bahn beeinflusst. Wir könnten den Gang der Geschichte beeinflussen, wenn wir den rechten Ansatzpunkt finden, an dem wir unsere Kräfte mit größtmöglichem Effekt anbringen können.«
Sie sah mich nicht an, sondern sprach mit sich selbst. Taylor und Lambert waren in den Schlaf tödlicher Ermattung gefallen. Die Tloxi hatten sich in einen lautlosen Stand-By versetzt. Die Schlafhalle lag in Dunkelheit und Schweigen. Jennifers Helmlampe, auf niedrigste Intensität geschaltet, lag zwischen uns auf dem Boden und erzeugte einen fahlen Lichtkreis. Lange Zeit saßen wir da und hingen unseren Gedanken nach. Irgendwann rückte sie dicht an meine Seite. Ihre Nähe und die zärtliche Berührung, als sie mir das Haar aus der Stirn strich, waren Erinnerungen an prähistorische Vorzeiten. Flüsternd weihte sie mich in ihren Plan ein. Er war so vermessen, dass ich sie innerlich für verrückt erklärte. Ich konnte nicht einmal den Kopf schütteln. Es war einfach nur absurd. Sie hatte natürlich mit meiner Verständnislosigkeit gerechnet. So gut kannten wir einander ja leider, dass sie mich in jeder Hinsicht einschätzen und meine Reaktionen vorwegnehmen konnte. Sie erwiderte nichts, ließ mein Schweigen auf sich beruhen und begab sich bald darauf zur Ruhe. Aber bevor sie die Augen schloss, warf sie mir noch einen letzten Blick zu. In ihm schmolzen das Draufgängertum und die Selbstgewissheit, die ich immer an ihr geliebt hatte, zu einer erotischen Verheißung ineinander. Irgendwo tief in mir rührte sich ein Echo davon, was es mir einmal gewesen war, mit Jennifer Ash verheiratet zu sein.
Mit einem letzten, dunkel glühenden Zwinkern fixierte sie mich und legte sich dann auf die Seite. Ich betrachtete ihr schmales, mädchenhaftes Gesicht. Um ihre Mundwinkel spielte ein verführerisches, zufriedenes Lächeln. So hatte sie oft gelächelt, wenn wir miteinander geschlafen hatten. Und oft hatte ich sie hinterher noch lange so betrachtet. Es war wieder wie damals, wir waren jung, wir waren verliebt, wir waren Absolventen der Akademie, der Eliteschmiede der Union,
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