Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)
Kommando dafür bewerben.«
Ich griff nach ihren Händen, aber sie entzog sie mir. Dabei ging sie insgesamt wieder etwas mehr auf Distanz. Das war mir recht, denn ihre körperliche Nähe hatte mich auf einmal unangenehm berührt.
»Die Endurance wird hier bleiben«, erklärte ich. »Mit ihrer angestammten Crew. Die Marschbefehle sind bereits erlassen.«
Sie schloss die Augen und konzentrierte sich. Dann sah sie mich streng und durchdringend an.
»Wie ich sehe«, sagte sie mit einem Unterton sarkastischer Anerkennung, »hast du alles ganz genau durchdacht. Und die ENTHYMESIS?«
Ich lächelte. Natürlich kannte sie die Anweisungen längst, aber wenn es ihr ein gutes Gefühl gab, war ich auch bereit, sie laut und in aller Öffentlichkeit zu wiederholen.
»Taylor hat vor einigen Tagen sein Leutnantspatent erhalten«, sprach ich in ein unsichtbares Mikrofon, das meine Äußerung zu Protokoll nahm. »Er wird als unser neuer WO die Stelle von Reynolds einnehmen.«
Jennifer starrte mich noch einige Sekunden wortlos an. Dann warf sie sich auf dem Absatz herum und stiefelte davon. Als die gravimetrische Tür sich summend hinter ihr geschlossen hatte, blieb eine eisige Stille zurück. Ich seufzte demonstrativ auf und sah dann herausfordernd in die Runde. Zwei Dutzend offenstehende Münder und ebensoviele Augenpaare glotzten mir entgegen.
»Meine Damen, meine Herren«, sagte ich. »An die Arbeit!«
Ich kniff die Augen wie unter einem grellen Licht zusammen und versuchte mir das Aussehen eines Generals zu geben, der aus einer verlustreichen, aber letztlich gewonnenen Schlacht zurückkehrte. Als ich die Konsole wieder anschaltete und mich ostentativ den umeinander kreisenden Grafiken zuwandte, dauerte es jedoch geraume Zeit, bis ich wieder wahrnahm, was ich sah.
Später am Tag meldete sich auch Reynolds bei mir. Er kam in die Abteilung getrabt, nahm Haltung an, salutierte und spulte sein Sprüchlein herunter:
»WO Reynolds meldet sich in einer dienstlichen Angelegenheit!«
Dann stand er stramm, zur Salzsäule erstarrt, und wartete darauf, dass ich ihn aufforderte bequem zu stehen. So hatten wir es auf der Akademie gelernt, aber in den zwei Jahrzehnten, die seither vergangen waren und die wir gemeinsam bei der Fliegenden Crew verbracht hatten, hatten wir uns eigentlich etwas legerere Umgangsformen angewöhnt. Die ganze Art seines Auftritts war ein Affront. Ich bat ihn in eines der Besprechungszimmer, wo wir die Sache unter vier Augen durchfechten konnten. Eine zweite öffentliche Auseinandersetzung vor neugierigem Publikum ging heute über meine Kräfte.
Als die Tür sich hinter uns geschlossen hatte, trat ich breitbeinig ans Fenster und wandte ihm den Rücken zu. Vor uns schwebte der stählerne Kasten des Kleinen Drohnendecks. Es sah wie ein riesiger hellgrauer, in der kalten Sonne schimmernder Sarg aus. In der Tiefe zogen die lebensfeindlichen, aber rohstoffreichen Ebenen von Eschata I dahin. Solange ich hinausblickte, wagte er nicht zu sprechen. Nach einer Weile wandte ich mich um und sah ihn ermutigend an. Wir hatten viel zusammen erlebt, und ich schätzte ihn als brillanten Wissenschaftsoffizier, auch wenn wir uns menschlich nie sehr nahe gestanden hatten.
»Commander Norton, Sir«, begann er. «Ich habe den Marschbefehl erhalten, der meine Versetzung nach Eschata I vorsieht.«
Ich nickte und ließ ihn fortfahren.
»Für das in mich gelegte Vertrauen möchte ich Ihnen danken«, sagte er förmlich.
»Selbstverständlich«, murmelte ich. »Aber das ist doch selbstverständlich ...« Ich nahm hinter dem kleinen Schreibtisch Platz, der mir hier für den Papierkram zur Verfügung stand, und bedeutete ihm, sich ebenfalls zu setzen. »Wir alle setzen große Hoffnungen in Sie und Ihr Programm«, führte ich weiter aus.
Er schwieg und starrte auf seine ineinander verkrallten Hände. »Das erfüllt mich mit Stolz«, gab er angestrengt zurück. Jedes seiner Worte knirschte wie eine überlastete Maschinerie, der man das Äußerste abverlangte.
»Was führt Sie her?«, fragte ich.
Er gab sich einen Ruck und sah mich offen an. Auch in seinem Gesicht, das von jeher hager und ausgemergelt war, nistete eine fast übermenschliche Erschöpfung. Seine Augen waren schwarz umrandet und hatten sich wie furchtsame Nagetiere tief in ihre Höhlen zurückgezogen. Die bleichen Wangen waren eingefallen. Der schüttere Bart gab seinen Zügen etwas Verwahrlostes. Seit Monaten hatte er keinen freien Tag mehr gehabt und keine Nacht
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