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Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)

Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)

Titel: Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Falke
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Schotterhaufen. So baut sich auch Geschichte aus lauter tagtäglichem und allzumenschlichem Kieselkleinkram auf und gerinnt dabei zu einem Schauspiel, dass kein Dramatiker, kein Regisseur gewaltiger ersinnen könnte. Und es entzieht sich letztlich der Grübelei im Irrealis der Vergangenheit. Wenn Alexander zaudernder und Hannibal zupackender gewesen wäre? Wäre die Weltgeschichte anders verlaufen, wenn Alexander nach Gaugamela abgewartet hätte, statt nach Babylon zu marschieren? Und wenn Hannibal nach Cannae stracks auf Rom marschiert wäre, statt abzuwarten? Wenn Wellingtons Verstärkung bei Waterloo eine Viertelstunde später eingetroffen wäre? Wenn die deutschen Truppen Moskau eingenommen hätten, statt am Stadtrand liegenzubleiben? Geschichte setzt sich aus Myriaden Einzelheiten zusammen. Vielleicht ist es bedeutsam, dass Napoleon ein Magengeschwür hatte und dass Hitler bei einem Giftgasangriff beinahe erblindet wäre. Doch je weiter der Historiker den Fokus nimmt, umso mehr schmilzt derlei aus dem Bild wieder heraus. Am Ende bleiben die überzeitlichen Wesenheiten zurück. Und dann kämpft Griechenland gegen Persien, Rom gegen Karthago, Frankreich gegen England, Deutschland gegen Russland. Im kleinen wird das alles ausgetragen von menschlichen Personen, von Charakteren und ihren Fehlern, von Vorlieben und Ressentiments, von unerklärlichen Fixierungen wie Alexanders Weltherrschaftsgedanke und Hitlers Judenhass. Aber im Großen-Ganzen mendelt sich’s heraus. Wie in einer großen Schlacht die Ängste und der Mut, die Schwächen und das Heldentum des Einzelnen von der Gesamtstärke des Heeres aufgesogen werden, so in der Geschichte die Rolle und Bedeutung alles Individuellen, und seien es die Marotten eines Caesar. Ein Perikles konnte nicht verhindern, dass Griechenland sich selbst zerfleischte. Und Rom war Weltreich, ob es nun gerade von einem Nero oder einem Marc Aurel regiert wurde. Napoleons Brillanz vermochte nichts gegen die schiere Übermacht bei Leipzig, und dass die Angelsachsen zweimal als Sieger aus den globalen Kriegen hervorgingen, lag nicht daran, dass sie die besseren Soldaten oder die edleren Menschen waren, sondern daran, dass sie über die industriellen Ressourcen zweier Kolonialreiche geboten. Und gerade deshalb, schloss der alte Ash seine Untersuchung, in der er, Jahre vor dem ersten Schuss, die Geschichte der Auseinandersetzungen mit Sina vorausgesehen hatte, gerade deshalb ist Geschichte interessant. Sie lehrt uns Demut. Alexander konnte Dareios zweimal besiegen, aber nicht das Fieber. Und die deutsche Wehrmacht konnte einen Kontinent unterwerfen, aber nicht den russischen Winter. Und wenn nun der General a.D. Dr. Rogers seine verstümmelten und dezimierten Truppen gegen Sina führt, das er schon einmal, vor Persephone, entscheidend geschlagen zu haben glaubte?
     
    *
     
    Jennifer blieb hartnäckig. Sie versuchte es noch einmal auf dem Dienstweg. In einer offiziellen Eingabe an Commodore Wiszewsky, die ich zur Kenntnisnahme erhielt, legte sie dar, dass neben Leutnant Taylor und Jill Lambert auch sie selbst an maßgeblicher Stelle an Reynolds Sondenprogramm mitgewirkt hatte und daher auf Eschata I zurückgelassen werden musste. Ob dieser Vorstoß mit ihren beiden Gewährsleuten abgesprochen war, wagte ich nicht zu mutmaßen. Die Beharrlichkeit jedenfalls, mit der sie sich an Reynolds Seite wünschte, hätte mich stutzig machen können. In einem vertraulichen Vieraugengespräch, das, wie man so sagt, in guter Stimmung erfolgte und von wechselseitigem Respekt getragen war, legte ich dem Commodore dar, dass es absurd sei, drei Mitglieder der Fliegenden Crew, die sich bisher aus reinem Beschäftigungsmangel nützlich zu machen versucht hatten, ganz aus der Crew auszugliedern, ihrer Verantwortung bei der ENTHYMESIS-Flotte zu entheben und sie hier auszusetzen, wo ihre Zukunft, wohlwollend gesprochen, ungewiss war. Ich brachte überzeugend zum Ausdruck, dass es mir schwer genug fiel, meinen WO zu entbehren, wozu ich mich nur bereitgefunden hatte, weil ihm in Leutnant Taylor mittlerweile ein fähiger Nachfolger herangewachsen war. Wiszewsky leuchtete das ein. Ohnehin interessierte ihn das ganze Gezänk nicht sonderlich. Er war verstimmt, weil ich dezidiert um eine Unterhaltung von Mann zu Mann gebeten hatte, und er hatte es eilig, in die Obhut der Komarowa zurückzugelangen, die ihm um diese Zeit die morschen Knochen zu massieren pflegte. Er gab meinem Einspruch gegen Jennifers Einspruch statt

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