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Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)

Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)

Titel: Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Falke
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Vorstellungen von Philosophie, Dichtung, Politik, freier Wissenschaft und objektiver Geschichtsschreibung ausbildete. Auf Theben und Korinth glauben wir im Grunde Verzicht tun zu können, auf Sparta sowieso, unser Hauptaugenmerk ruht einzig auf Athen, auf Sokrates, Perikles, Sophokles und wie sie alle hießen. Was wären denn die klassischen Glücksfälle und Menetekel der Geschichte? Dass Griechenland sich der Perser erwehrte, stellt für uns ein Glück dar, das die Jahrtausende nicht hoch genug preisen können. Aber dass es sich im Peloponnesischen Krieg selbst zerfleischte, ist für uns ein Jammer. Er wäre womöglich nur halb so schimpflich, wenn Athen, anstelle Spartas, die Oberhand behalten hätte. Und wenn wir Perser wären, hätten wir von alledem eine vollkommen andere Auffassung. Alexander würden wir dann in einem Atemzug mit Attila und Dschingis Khan nennen, statt in ihm die Lichtgestalt und den Bringer des alexandrinischen Hellenismus zu verehren. Dass Rom über Karthago obsiegte, erscheint uns als ein großes Glück. Wir weinen beim Gedanken an Cannae und grinsen, wenn wir an Zama denken. Leitete sich unsere Kultur von den Phöniziern her, wären wir auch hier anderer Ansicht. Was sich durchsetzt, bestimmt im Nachhinein die Wertungen. Geschichtsschreibung geschieht ex post – auch dieser Satz ist nicht einmal halb so trivial, wie er daherkommt. Denn sie wird immer von den Siegern vorgenommen. Natürlich sind wir froh, dass sowohl die napoleonische Hegemonie über Europa scheiterte, wie auch die deutsche, aber ein Franzose und mancher Deutsche mag das anders sehen. Das Zerbrechen des Empire bewertet ein Brite anders als ein Inder. Ob eine Geschichtsschreibung ex ante denkbar wäre? Nur in streng temporaler Hinsicht liegt darin ein Widerspruch. Wo es, wie hier, um Wertungen geht oder um die Frage, inwieweit Wertungen statthaft seien, könnte man es schon darauf ankommen lassen. Diese Auffassung vertrat zumindest der ältere Ash, und zwar vehement bis an sein Lebensende. »Was immer auch geschehen mag,« diktierte er wenige Monate vor seinem Tod, der schon unter die Präliminarien der hier zu schildernden Ereignisse fiel, »wir alle, das heißt: die freie Welt wird es als ein Unglück ansehen, wenn die sinesische Aggression obsiegt, und als ein Glück, wenn sie zerschmettert wird.«
     
    *
     
    »Gratuliere«, sagte Frankel, »damit haben Sie sich wieder einmal die Unsterblichkeit gesichert.“
    Ihm war anzusehen, welche Überwindung es ihn kostete, uns zu der Entdeckung der Dunkelwolke zu gratulieren.
    »Warum haben Sie uns nicht eine Sonde mit einer Probe geschickt«, fragte Wiszewsky.
    »Wir waren uns nicht sicher, wie das Material auf Warpkräfte reagiert«, antwortete ich zum ungefähr einhundertundfünfzigsten Mal. »Immerhin verhielt es sich doch recht sonderbar. Die Sache schien uns wichtig genug, um sie persönlich durchzuführen. Deshalb entschied ich mich, die ENTHYMESIS zum Mutterschiff zurück zu dirigieren.«
    Der Alte runzelte die Stirn.
    »Hatten Sie Angst, dass Ihnen das ganze Zeug um die Ohren fliegt?«, fragte Svetlana schnippisch, die sich während der ganzen Konferenz auf Wiszewskys Sessel geräkelt hatte. »Oder waren Sie das Eingesperrtsein in einem so kleinen Schiff leid? Man munkelt ja so allerhand über Ihre Crew ...«
    Ich ging darüber hinweg.
    »Hier gibt es übrigens keine Fortschritte«, sagte Wiszewsky noch.
    »Ich wollte soeben fragen«, heuchelte ich. »Immerhin waren wir beinahe einen Monat abwesend.«
    Der Commodore verzog das Gesicht zu einer verächtlichen Grimasse und beschrieb eine wegwerfende Handbewegung. »Nichts«, brummte er. »Kein Lebenszeichen von Reynolds oder Rogers. Und Frankel kommt aus eigener Kraft auch nicht weiter.«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Jetzt sind wir ja wieder da«, sagte ich großspurig. In mehr als zwei Jahrzehnten hatte ich gelernt, dass Bescheidenheit bei der Fliegenden Crew völlig fehl am Platze ist. »Taylor entwickelt sich gut. Er wird die Sache in die Hand nehmen.«
    Der Commodore nickte geistesabwesend. Die Komarowa fühlte sich dagegen provoziert.
    »Steht es um Sie und Major Ash wirklich so schlimm, wie man sich erzählt?«, stichelte sie.
    Wiszewsky warf ihr einen missbilligenden Blick zu. Sie kicherte nur und rollte sich an seiner Seite zusammen, wie eine launige Katze, die kurz die Krallen gezeigt hatte. In Wiszewskys Miene las ich, dass ich den Ausfall nicht näher zu beachten hatte.
     
    Frankel ließ sich herab, uns

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