Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Music from Big Pink: Roman (German Edition)

Music from Big Pink: Roman (German Edition)

Titel: Music from Big Pink: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Niven
Vom Netzwerk:
aufgeschnappt, die sie mit Dylan den Sommer über in ihrem Keller aufgenommen hatten. Vor der Revox neben Garths Orgel stapelten sich die Bänder, größtenteils Coverversionen oder Sessions mit klassischem Zwölf-Takt-Blues, über die Dylan Songs von Johnny Cash, Hank Williams oder Elmore James näselte, ausnahmslos beschissen aufgenommen, mit einem Haufen mieser Mikrofone. Das meiste von dem, was ich gehört hatte, klang wie echtes Kifferzeug. Wie Comedy-Musik. Der Scheiß eben, den sich Typen mit ihren Gitarren zusammendengeln, wenn sie völlig breit vor sich hinkichern. Kein Wunder, dass es ein regelrechter Schock für mich war, als wir in diesem Winter erstmals ein paar ihrer eigenen Songs zu hören bekamen. Es war, als würde ein Freund einem erzählen, er schreibe ein Buch, und man sagt: »Klar, bestimmt tust du das, Alter.« Und dann kommt er plötzlich mit diesem großen amerikanischen Roman unterm Arm daher. Genau so war das.
    Es dämmerte bereits, als ich nach Hause kam – immer noch ziemlich angeschlagen vom LSD – und Alex auf der Couch vorfand, wo er sich einen gepflegten Whisky und eine dicke Tüte gönnte.
    »Hi, Mann«, lallte ich und kämpfte mich aus meinem dicken Wintermantel.
    »Hi, dein Dad hat angerufen.«
    Bitte was? »Erzähl keinen Scheiß. Wieso sollte mein Alter mich anrufen? Bist du betrunken, oder was?«
    »Ist gar nicht gut, Greg.«
    So erfährt man dramatische Neuigkeiten. So hört man von den wahrhaft einschneidenden Ereignissen. Nicht in irgendeinem Operationssaal oder wenn jemand dich mit ernster Miene darum bittet, neben ihm Platz zu nehmen. Es geschieht, wenn man sich die Schuhe auszieht, den Fernsehkanal wechselt, sich eine Zigarette anzündet oder sich nach einer Dose Spaghetti auf dem Küchenregal streckt. Das Telefon klingelt. Oder jemand kommt mit einem seltsamen Gesichtsausdruck zur Tür rein, und dann sagt man es dir. So werde ich mich immer daran erinnern, wie ich in dieser Nacht den Mantel auszog, in dieser Nacht, in der Skye mir heimlich Acid in den Drink schüttete. Die Nacht, in der ich zum ersten Mal The Band – und nicht The Hawks – hörte. Es war eine verdammt kalte, klare Dezembernacht, draußen schimmerte der frisch gefallene Schnee, die Sterne standen hoch am Himmel. Und meine Mutter war tot.

sechs
    »Oh to be home again …«
    Laut Durchsage des Piloten flogen wir nun Richtung Nordwesten, also nahm ich an, dass die braunen und grünen Quadrate unter uns zu Pennsylvania gehörten. Fliegen war angenehm. Sicher, es kostete mich eine Stange Geld, aber ich hatte einiges beiseitegelegt. Und wenn ich mir das schon antun musste, dann wollte ich es auch richtig machen.
    Ich genoss meinen Wodka auf Eis und sah mir die anderen Gestalten an, die es ebenfalls richtig machten: Männer mit Bürstenschnitt, Anzügen, polierten Schuhen, Karosocken, goldenen Krawattennadeln und dem Geruch von Aftershave, die die Stewardess – eine nach Porno aussehende Blondine Ende zwanzig, die das Zeug zum Model gehabt hätte, wäre da nicht ihr leichtes Schielen gewesen – »Süße« und »Schätzchen« riefen. Ich verhielt mich ihr gegenüber ausgesprochen höflich, nannte sie »Miss« und so, aber ich war derjenige, den sie ansah, als wäre ich der letzte Dreck. Ich schätze, sie kam einfach nicht damit zurecht, dass jemand, der jünger war als sie und wie ein Loser aussah, sich auf ihr Terrain wagte. Als ich schwitzend und keuchend die Maschine betrat, starrte sie auf mein Ticket, als wäre die Schrift darauf japanisch, und musterte mich gefühlte zwei oder drei Minuten lang von oben bis unten. Ich war die ganze Strecke zum Gate wie ein Bekloppter gerannt. Ich schwöre, manchmal fühlte es sich an, als müsste man jedes Mal, wenn man Woodstock verließ, plötzlich sein Leben selbst in die Hand nehmen.
    Da ich frühzeitig am Flughafen LaGuardia gewesen war – Alex hatte mich hergefahren, er wollte meinen Wagen behalten und sich um meine Geschäfte kümmern, solange ich weg war –, hatte ich mich noch auf ein paar Drinks in eine Bar verzogen. Es war eine dieser aus Kunstholz-Paneelen und karamellfarbenem Kunstleder zusammengeschusterten Kaschemmen: überfüllt, verqualmt und laut. Ich nahm mir einen Hocker und setzte mich an die Theke. Der Barmann war ein älterer Schwarzer mit einem fetten, runden Gesicht. Ein Gesicht, das man sich normalerweise als fröhlich vorstellt, das im Augenblick aber bloß den gewaltigen Druck widerspiegelte, der ihm den Schweiß durch sein weißes

Weitere Kostenlose Bücher