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Music from Big Pink: Roman (German Edition)

Music from Big Pink: Roman (German Edition)

Titel: Music from Big Pink: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Niven
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Die halbe Quaalude, die ich auf der Fahrt hierher eingeworfen hatte, vermischte sich rasch mit dem Alkohol und machte mich angenehm glücklich und benebelt: Ich war bereits halbwegs bedröhnt und hatte vor, es nicht dabei zu belassen. Auf keinen Fall wollte ich mir diesen Trip nüchtern antun.
    Eigentlich hatte ich gar nicht fahren wollen, ganz bestimmt nicht. Meinem Vater hatte ich sogar gesagt, ich würde nicht kommen. »Tja, Greg«, hatte er erwidert, »das ist … ist das …«, es folgten fünf Sekunden Pause, »… deine Entscheidung? « Er klang, als wüsste er gar nicht, was diese Worte bedeuteten, als hätte er sie seit Jahren nicht mehr ausgesprochen. Sein Schweigen zog sich bereits über fünfzehn Sekunden hin, bis er schließlich »Hallo?« sagte, als hätte ihn gerade jemand angerufen, als hätte er eben erst begriffen, dass er den Hörer in der Hand hielt. Schließlich legte ich auf.
    Aber die anderen hatten mich überredet. Richard sagte: »Du musst nach Hause fahren und deine Ma beerdigen, ganz egal, was für ein Mist da zwischen dir und deinem Alten läuft.« Levon war noch direkter: »Sei doch nicht dämlich, Kleiner.« Die Jungs von den Hawks hingen alle sehr an ihren Familien. Ich fand das irgendwie seltsam: In unserem Alter fluchten und jammerten die meisten bloß rum, dass ihre Eltern sie nicht verstanden und nicht unterstützten. Ich schätze, weil sie alle noch so jung waren, als sie ihr Zuhause verließen – Levon war sechzehn gewesen, Robbie gerade mal fünfzehn, als sie erstmals mit Ronnie Hawkins auf Tour gingen –, hatten sie vielleicht das Gefühl, irgendwie einen Teil ihrer Jugend verpasst zu haben.
    Ich wollte gerade eine weitere Runde bei Bernie ordern, als plötzlich lautes Gebrüll durch die Bar schallte. Die Marines waren aufgestanden und schrien auf den Fernseher ein: In den Nachrichten lief ein Bericht über eine Anti-Kriegs-Demonstration in Washington. Bilder von Hippies, die vor dem Weißen Haus Parolen skandierten.
    » PASST AUF, MIT WEM IHR EUCH ANLEGT, IHR WICHSER! «, brüllte einer der Soldaten. Ein anderer warf ein Schnapsglas, verfehlte aber den Bildschirm. Es zersprang an der Wand.
    »He! Beruhigt euch, Jungs!«, appellierte Bernie.
    Zeit zu gehen. Ich trat kurz nach draußen, um einen Blick auf die Anzeigetafel zu werfen. Bis zum Boarding meines Fluges war es nur noch eine halbe Stunde, und ich überlegte, was ich tun sollte, wenn ich in Toronto ankam. Bei Ritchie vorbeischauen? Mir ein Hotel nehmen? Meinen Vater besuchen? Bei dem letzten Gedanken befiel mich ein flaues Gefühl der Niedergeschlagenheit.
    Ich ging zurück in die Bar und holte meine Tasche. Einer der Marines, der durchgeknallte Riese mit der Narbe, stand über meinen Hocker gebeugt an der Bar und stritt sich mit Bernie.
    »Hier ist dein beschissenes Geld, jetzt gib mir gefälligst die scheiß Flasche!« Er warf ein Bündel Scheine auf den nassen Mahagonitresen und zeigte auf die Tequilaflasche.
    »Tut mir leid, Sir. Aber mir ist nicht erlaubt …«
    »Jetzt hör mal zu, du fettes Niggerwürstchen«, schimpfte er auf ihn ein. Mann, der Typ war hackevoll. Vermutlich hatte man ihn keine vierundzwanzig Stunden zuvor aus irgendeinem Höllenloch im Dschungel ausgeflogen, wo er monatelang von Rinde, Insekten und dem Schmodder in seinen Achselhöhlen gelebt hatte. Und jetzt, wo er hier war, zurück unter Menschen, bekam er auch nicht, was er wollte. Schon von Weitem war er eine bedrohliche Erscheinung, und aus der Nähe betrachtet sah er wirklich furchterregend aus: gut zwei Meter groß, locker 120 Kilo schwer. Die Nähte seiner Jacke drohten aufgrund seines massigen Körpers zu platzen.
    »Ruf die Cops, Bernie!«, sagte die Kellnerin.
    »Halt gefälligst dein Maul, du Schlitzfotze!«, herrschte ein anderer Marine sie an.
    Ich versuchte, um den Kerl mit dem Narbenschädel herumzugreifen und meine Tasche vom Hocker zu ziehen, als er sich taumelnd umdrehte und unsere Blicke sich trafen. Ich konnte jetzt sehen, dass die Narbe sich um seinen ganzen Kopf herum bis in die Stirn zog – als hätte jemand versucht, ihm das Gehirn zu entfernen. Er hatte ein breites, flaches Hinterwäldlergesicht, und in seinen Augen stand nichts als der blanke Hass. Search. And. Destroy.
    »Was ist dein Scheißproblem, du Hippie?«
    »Nichts. Gar nichts, Mann. Ich will bloß …«
    »Was? Wie hast du Wichser mich gerade genannt? «
    »Ich habe Sie nicht …«
    »Siehst du die da, Pissfresse?« Er zeigte auf einen ganzen Haufen

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