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Music from Big Pink: Roman (German Edition)

Music from Big Pink: Roman (German Edition)

Titel: Music from Big Pink: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Niven
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griff hinter mein Ohr und reichte ihm den frisch gerollten Joint. »Na ja, hier und da haben wir vielleicht was Brauchbares auf die Reihe gekriegt«, antwortete er mit seinem Südstaatenakzent, setzte sich auf den Fender-Amp und steckte sich die Tüte an. »Mehr oder weniger.« Grinsend stieß er eine violette, süß riechende Rauchwolke aus.
    »Wie war’s in L. A.?«
    »War ganz gut, Mann. Tolles Studio. Ein Sache muss ich dir erzählen: Hast du schon mal Sushi probiert?«
    »Bitte was?«
    »Su-shi.«
    »Ist das Dope?« Ich runzelte die Stirn beim Gedanken an diese fremdartige neue Droge.
    Er lachte. »Nein, Mann. Fisch. Ob du’s glaubst oder nicht: roher Fisch.«
    Angewidert verzog ich das Gesicht.
    »Ich weiß! So ging’s mir auch, aber – ich schwöre – der Scheiß ist suuu-perlecker. John und ich haben das Zeug jeden Tag gemampft.« Lachend gingen wir zum Haus. »Jeden beschissenen Tag!«, wiederholte Levon, als könnte er es selbst kaum glauben.
    Ihr Mietvertrag lief aus, außerdem war die Bude inzwischen zu klein für Richard, Rick, Garth und wer sonst noch ständig mit ihnen abhing. Rick und Levon zogen in die Nähe von Bearsville. Richard und Garth – die machten wirklich alle einen auf Jack Lemmon und Walter Matthau – hatten bei uns die Straße runter ein Haus gefunden. Ich warf einen Blick ins Wohnzimmer: Überall standen Taschen und Kartons herum, die Regale waren ausgeräumt, all der Schnickschnack und Krimskrams war zusammengepackt, selbst die Bier-Leuchtreklame vom Kaminsims war bereits verstaut. Ein Haufen Instrumente – Gitarren, eine Fiedel, ein Akkordeon – stapelten sich neben der Tür, bereit zum Abtransport. Der Raum tat, was Räume tun, wenn sie leer geräumt und vom Zuhause wieder zum bloßen Haus werden: Er schien größer und kleiner zugleich zu sein, und die Wände waren vergilbt von den Tausenden von Zigaretten, die hier in den letzten paar Jahren geraucht worden waren.
    Ich hatte seit ein paar Wochen keinen von ihnen mehr zu Gesicht bekommen. Besonders seltsam war es, Richard wiederzutreffen, nach dem, was Skye mir gesagt hatte. Ich sah ihn auf einmal in einem völlig anderen Licht, als würde ihre Liebe ihm neue Energie verleihen, ihn in neuen, kräftigeren Farben erscheinen lassen. Beim Singen passierte etwas in Richards Stimme – vielleicht in seinem Herzen –, wie das, was ich ein paar Tage zuvor gespürt hatte, als ich dachte, Skye würde ihren Satz mit »dich« und nicht mit »Richard« beenden. Etwas, das immer dann durchklang, wenn er von Schmerzen sang. Schmerzen wie jene, die ich vor ein paar Tagen empfunden hatte. Ich erzählte ihm nicht, was Skye mir anvertraut hatte. Den Teufel tat ich. Ich stieg noch einmal die Treppe zum Keller hinab, bevor ich ging, um ihnen die letzten Gitarren zum Wagen zu tragen. Auch er war nun leer. Nur noch kahle Wände aus Schlackebeton, ein alter Boiler und ein paar Zigarettenstummel auf dem Zementboden.
    Der Wagen, der mir auf der Straße entgegenkam, blendete auf, bevor er langsamer wurde. Es war Alex. Als wir auf gleicher Höhe waren, stoppte er mitten auf der Fahrbahn. Auf dem Beifahrersitz saß Susie. Sie weinte. »Was ist passiert, Mann?«, fragte ich ihn.
    »Scheiße, hast du’s noch nicht gehört?«
    »Was gehört?«
    »King.« Er schüttelte langsam den Kopf. »Sie haben King umgebracht.«
    Wir fuhren nach Hause und schauten die Nachrichten. Nach und nach trudelten unsere Freunde ein. Jeannie und Susie lagen sich heulend in den Armen und trösteten sich gegenseitig. Sie stammten beide aus New York, ihre Eltern waren Menschenrechtsaktivisten, engagierten sich für die NAACP und solche Sachen. Dann kam der kleine Tommy, verstört und traurig aussehend, als könnte er einfach nicht begreifen, was zur Hölle da vor sich ging. Johnny B marschierte mit einer Flasche Rum zur Tür herein und orakelte: »Das werden die Nigger nicht auf sich sitzen lassen«, wohl wissend, wie die Mädchen darauf reagieren würden. »Halt dein gottverdammtes Maul, Johnny!«, schrie Susie ihn an.
    Keine Frage, das Land drehte kollektiv durch. Chicago, Memphis, L. A. – alles stand in Flammen. Und wenn man sich dann vom Fernseher löste und nach draußen blickte, sah man nichts als Bäume und Himmel. Alles, was man hörte, war vielleicht jemand, der sein Kaminholz schlug. Die ganze Sache war völlig unwirklich. Rick, Richard und noch ein paar andere Leute kamen vorbei. Wir ließen uns volllaufen, und der Abend verwandelte sich allmählich von einer

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