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Music from Big Pink: Roman (German Edition)

Music from Big Pink: Roman (German Edition)

Titel: Music from Big Pink: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Niven
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Song?«
    »Scheiße, ich versuch’s.«
    »Hast du ’ne Melodie?«
    »So in der Art.«
    »Melodien fallen mir ständig ein. Aber Worte – das ist was völlig anderes. Ist verdammt hart.«
    »Wem sagst du das.« Ich reichte ihm das Bier. Ganz instinktiv hatte ich mir selbst auch eins aufgemacht, obwohl es gerade mal elf Uhr war.
    »Bob«, sagte Richard und trank einen Schluck, »der steht morgens auf, setzt sich hinter seine Schreibmaschine und hat vor dem Mittagessen bereits drei Songs rausgehauen.«
    »Echt wahr?« Wir schüttelten beide den Kopf. »Ich habe einen Monat gebraucht, um zwei verfluchte Zeilen zu schreiben«, sagte ich und zog das Blatt Papier verschämt zu mir herüber.
    »O ja. Das ist bei mir nicht anders, Mann. Robbie fällt es etwas leichter.« Wir tranken unser Bier in der sonnigen Küche. »Und«, er grinste, »spielst du es mir vor?«
    »Scheiße, nein. Ich bin kein besonders guter Sänger.«
    »Ach, komm schon. Spiel mal, was du bisher hast.«
    »Auf keinen Fall.«
    »Weißt du was? Ich hab da was, das könnte vielleicht passen.«
    »Wirklich?« O Mann, er bot mir tatsächlich an, mir bei meinem popeligen Song zu helfen.
    Er griff sich die Gitarre, stimmte sie etwas tiefer und spielte dann ein paarmal diese kleine Akkordfolge. Er summte mit, räusperte sich schließlich und sang die Worte, die ich notiert hatte: »She left unexpectedly.« Unfassbar! Es war auf einmal etwas völlig anderes: Wo ich mir für das ganze Ding zwei Akkorde aus den Rippen geleiert hatte, spannte Richard seine Melodie pro Zeile über mindestens vier – C, E, a-Moll, irgendwas, was sich mir nicht erschloss – und zog die Worte »unexpectedly« und »contrary« so in die Länge, dass der Wechsel von Dur zu Moll ihnen einen bittersüßen Klang verlieh und meine Version dagegen flach und trist erschien. Er hielt inne. »So was in der Art.«
    »Ja. Das könnte funktionieren«, sagte ich und nickte, als Alex hereintaperte, gähnend und mit nacktem Oberkörper. »Hi, Richard. Wie läuft’s so?«
    »Ganz gut, Mann. Was habt ihr Jungs denn heute so vor?«
    »Wir wollten hoch zum Teich, kommst du mit?«
    »Leider nicht, Bill bringt mich gleich zum Flughafen.«
    »Wohin geht’s denn?«, fragte ich.
    »Heim nach Stratford. Mein Bruder heiratet. Ich nehme Jane mit zur Hochzeit.«
    »Wirklich? Seid ihr zwei wieder …«
    »Wir werden sehen«, grinste er schüchtern. »Scheiße, ich muss los. Soll ich dir die Akkorde aufschreiben?«
    »Bist du sicher? Brauchst du sie denn nicht selbst?«
    »Nö, alles cool. Ich hab genug Musik. Vielleicht kannst du mir ja mal mit ein paar Worten aushelfen …« Er schrieb die Akkorde mit seiner wackligen Handschrift nieder und stand auf, um zu gehen. »Oh, jetzt hätte ich fast vergessen, weshalb ich eigentlich rübergekommen bin.« Er griff in seine Tüte und holte eine Platte heraus. Sie war schwer – deutlich schwerer als normal –, mit einem unbeschrifteten weißen Labelsticker und einer einfachen Papierhülle. »Die ist für dich.«
    »Was ist das?«
    »Das ist unsere Platte, Mann. Eine Testpressung.«
    Ich betrachtete sie.
    »Wow«, sagte Alex.
    »O Mann, Richard. Willst du die nicht behalten?«
    »Ist schon in Ordnung. Wir haben noch mehr davon. Lass mich wissen, was du davon hältst.« Er trat durch die Tür hinaus in den Sonnenschein und summte seine Version meines Songs, als er um die Ecke des Hauses verschwand.
    Ich zog die schwere Scheibe aus der Hülle und hob sie vorsichtig an den Rändern in die Höhe. Ehrfürchtig starrten wir in die Reflexionen unserer Gesichter auf der schimmernden schwarzen Fläche. Es war nicht ein Kratzer darauf. Sie war noch nie abgespielt worden.
    »Na los«, sagte Alex nach einem Moment, »worauf wartest du noch?«
    * * *
    Über eine Stunde später – Alex hing seitwärts im Lehnstuhl, ich lag, gestützt auf ein paar Kissen, auf dem Teppich vor den großen Lautsprechern – hörten wir die Platte bereits zum zweiten Mal ganz durch. Beim ersten Durchlauf hatte ab dem Moment, als Richard die erste Zeile – »We carried you, in our arms« – sang, keiner von uns beiden auch nur ein einziges Wort gesagt, bis die letzte Zeile verklungen war – »I shall be released« –, aus dem Song, den er damals in jener Nacht in Robert Ryans Wohnung gespielt hatte. Ohne uns zu rühren, lagen wir da. Nur einmal – nach diesem Stück, dessen Refrain mit »Take a load off Fanny …« begann – stand ich zwischendurch auf und drehte die Platte um. Diese Nummer war es,

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